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Dopamin-Fasten: Der neueste Trend aus dem Silicon Valley

Nach der Lektüre dieses Artikels wirst du die Kraft dieses Neurotransmitters besser verstehen und erfahren, wie dir das Dopamin-Fasten (der neueste Trend im Silicon Valley) helfen kann. Du wirst lernen, dass diese Zusammenhänge nicht neu sind und die Stoiker schon vor 2000 Jahren etwas Ähnliches empfohlen haben. 

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„Glück ist die Fähigkeit zum Verzicht.“

Vereinfacht lässt sich sagen, dass unser Belohnungssystem zwei Arten von Neurotransmittern hat: diejenigen, die uns helfen, das zu genießen, was wir haben, und diejenigen, die uns motivieren, das zu verfolgen, was wir wollen.

Zur ersten Gruppe gehören Neurotransmitter wie Serotonin, Oxytocin, Endorphine und Endocannabinoide. Sie wecken die Freude an Essen, Sonne, körperlicher Aktivität, Sex und sozialen Kontakten.

Innerhalb der anderen Gruppe der Neurotransmitter gibt es einen klaren Anführer: Dopamin. Wenn du das starke Bedürfnis nach einem Donut spürst oder zum Handy greifst, um Instagram zu überprüfen, ist das Dopamin die treibende Kraft dahinter. 

Die Kraft des Dopamins

Dinge außerhalb unserer Reichweite können nicht konsumiert, sondern nur begehrt werden. Etwas in der Ferne zu erreichen, erfordert Zeit und Anstrengung. Unsere Vorfahren wussten, dass es nicht ausreicht, die Antilopen in Höhlen nur zu malen. Sie benötigten auch Motivation, um auf die Jagd zu gehen, sich fortzupflanzen oder neue Territorien zu erobern. Und Dopamin ist das Molekül dieser Motivation, sozusagen der Treibstoff unserer Träume. Ohne Dopamin würden wir uns gar nicht erst anstrengen.

Dopamin ist ein zweischneidiges Schwert: Es hilft dir, das zu erreichen, was du willst, verhindert aber, dass du es lange genießen kannst

Im Gegensatz zu dem, was viele glauben, erzeugt Dopamin keine Lust, sondern Verlangen, oder noch genauer gesagt, Vorfreude. Es wird durch die Möglichkeit von etwas Neuem ausgelöst: eine neue Mahlzeit, ein neuer Partner oder ein neues Auto. Wenn derselbe Stimulus jedoch häufiger wiederholt wird, lässt das Gefühl der Neuheit nach. Die Zukunft wird zur Gegenwart und es wird kein Dopamin mehr ausgeschüttet.

Das ist der Grund, warum wir selten mit dem zufrieden sind, was wir bereits haben. In der Folge kommt es zur berühmten hedonischen Anpassung (auch hedonistische Tretmühle oder Adaption genannt). Dinge, die uns einmal sehr befriedigt haben, werden uns mit der Zeit gleichgültig. Wir wollen immer wieder etwas Neues. Dopamin steht für die Jagd und nicht für den Besitz. 

Leider macht das Verlangen uns Versprechungen, die das tatsächliche Vergnügen nicht halten kann. Der Grund: Das Dopamin verarbeitet keine Erfahrungen aus der realen Welt, sondern aus einer idealisierten und imaginierten Welt. Die Belohnung ist selten so, wie uns durch das Dopamin versprochen wurde. Auch wenn das Vergnügen sehr intensiv sein sollte, hält es normalerweise nicht lange an. Das Verlangen hält sich hartnäckig, die spätere Befriedigung ist flüchtig.

Dopamin kann zu Sucht und rücksichtslosem Verhalten beitragen. Es bringt uns dazu, die Gegenwart für die Illusion einer besseren Zukunft zu opfern. Was auch immer du bereits hast, das Dopamin will noch mehr.

Der Schlüssel zum inneren Frieden liegt darin, die Neurotransmitter der Zukunft mit denen der Gegenwart in Einklang zu bringen. Techniken wie ein Dankbarkeitsritual ermöglichen es uns, mehr, das zu schätzen, was wir bereits haben, und wirken dem Verlangen nach dem entgegen, was uns fehlt.

Im heutigen Artikel diskutieren wir eine neue Strategie, um dieses Gleichgewicht zu erreichen: das Dopamin-Fasten.

Bevor wir zur Lösung übergehen, beschäftigen wir uns zunächst noch etwas genauer mit dem Problem. 

Das Problem: Die Dopaminpiraten

Viele Dinge, die sich lohnen, erfordern Opfer und Anstrengung. Du benötigst Motivation, um deine Gesundheit und Fitness zu verbessern, etwas Neues zu lernen, einen Partner zu finden oder deine finanzielle Situation zu ändern. Das Dopamin hilft dir durchzuhalten auf Weg der Transformation (mehr Details). 

Das Problem ist, dass das Geschäftsmodell vieler Unternehmen in der heutigen Zeit darauf basiert, unser Belohnungssystem zu kapern. Sie erregen unsere Aufmerksamkeit und lenken sie auf ihre Produkte und Dienstleistungen, indem sie unser Dopamin im Austausch gegen leere Belohnungen stimulieren.

Foto: Tom Briskey

Das Ergebnis ist, dass wir unser Dopamin ständig durch Aktivitäten überreizen, die keine Anstrengung erfordern oder sich für uns lohnen. Die Likes in den sozialen Medien sind wie eine Droge in digitaler Form. Sie sind relativ leicht zu bekommen, bieten aber keinen wirklichen Mehrwert. Computer-, Handy- oder Videospiele ermöglichen es dir, den Nervenkitzel des Wettbewerbs und das Streben nach Erfolg und Anerkennung zu erleben, während du still vor deinem Bildschirm sitzt. Etwas Ähnliches passiert beim Glücksspiel, der Pornografie oder beim Online-Shopping.

Sich vorübergehend von diesen Reizen zu lösen, kann uns helfen, das Belohnungssystem in unserem Gehirn neu zu kalibrieren. Genau dieser Effekt ist das Versprechen des sogenannten Dopaminfastens

Die Lösung: Dopaminfasten

So wie intermittierendes Fasten dir helfen kann, nicht alle paar Stunden auf Essen fixiert zu sein, verringert das Dopaminfasten die Anziehungskraft von bestimmten unproduktiven Verhaltensweisen.

Das Ziel ist es, den Zugang zu Aktivitäten einzuschränken, die in dir mühelos für einen Dopaminausstoss sorgen. Es geht nicht darum, diese Aktivitäten zu eliminieren, sondern um eine Sensibilisierung dafür, dass du deine Zeit bewusst einsetzt und nicht den Blick für das Wesentliche verlierst. 

So wie es verschiedene Strategien gibt, das intermittierende (Essens-)Fasten in deinen Alltag zu integrieren, kannst du auch zwischen verschiedenen Möglichkeiten für das Dopaminfasten wählen. Der ideale Ansatz hängt weitgehend von dem Verhalten ab, das du künftig besser kontrollieren möchtest.

Wenn dein Problem etwa Videospiele sind, kannst du dir am Wochenende gezielt zwei Stunden Zeit dafür nehmen. Wenn du (zu) viel Zeit mit sozialen Netzwerken verschwendest, kannst du deine Zugriffszeiten beschränken (z. B. vormittags von 11 bis 11:30 Uhr und nachmittags von 18 bis 18:30 Uhr). Solltest du zum exzessiven Online-Shopping neigen, kannst du dich auf einen bestimmten Tag im Monat beschränken, an dem du dir etwas Neues kaufen darfst. Wenn ungesundes Fast Food ein Problem für dich ist, kannst du dir zur Regel machen, Burger, Pizza, Eiscreme & Co. nur am Ladetag oder Cheat Day zu dir zu nehmen. 

Dopaminfasten eignet sich immer dann besonders gut, wenn du ein bestimmtes Verhalten nur schwer kontrollieren kannst.

In vielen Fällen macht eine Strategie auf drei verschiedenen Zeitebenen Sinn: täglich, wöchentlich und monatlich. Zum Beispiel:

  1. Versuche, jeden Tag, impulsive Verhaltensweisen auf bestimmte Zeitfenster zu beschränken, anstatt ihnen ständig nachzugeben. In der Folge wirst du weniger abgelenkt und verbesserst schrittweise deine Selbstbeherrschung. 
  2. Vermeide das problematische Verhalten einmal pro Woche für einen ganzen Tag.
  3. Verpflichte dich dazu, das problematische Verhalten einmal im Monat für drei Tage am Stück zu vermeiden.
Foto: Dole 777

Natürlich ist dies nur ein Beispiel für die Umsetzung, das je nach Aktivität oder Verhalten, das wir besser kontrollieren möchten, variieren kann.

Trotz des Begriffes Dopaminfasten besteht das eigentliche Ziel nicht darin, den Dopaminspiegel zu senken, sondern impulsives und unproduktives Verhalten zu vermeiden. Ferner werden wir durch die Einbeziehung von festen Zeitfenstern unsere Aktivitäten mehr genießen. 

Das Schema muss nicht unbedingt nur für Dinge eingesetzt werden, die man vermeiden möchte. Nach demselben Muster (also tägliches, wöchentliches und monatliches Fasten) kannst du z. B. auch deinen Kaffeekonsum steuern. Kaffee ist ein tolles und gesundheitsförderliches Getränk, aber viele Menschen verlassen sich zu sehr auf die Wirkung. Wenn du dem Kaffee bisweilen entsagst, wirst du nicht abhängig und genießt ihn anschließend umso mehr

Das gezielte Fasten zur Vorbeugung von Abhängigkeiten ist übrigens keine neue Idee. Schon vor mehr als zweitausend Jahren schlugen die Stoiker das Konzept des freiwilligen Unbehagens vor, über das wir auch im Buch ‚Invicto – Unbezwingbar‘ sprechen. Nachfolgend ein Auszug daraus. 

Das Konzept der Stoiker: Freiwilliger Verzicht

„Nimm dir gelegentlich ein paar Tage, an denen du dich mit dem einfachsten Essen und der unscheinbaren Kleidung zufriedengibst. Dann frage dich: Ist das wirklich das, wovor ich so Angst hatte?“

Im Gegensatz zu anderen philosophischen Richtungen ermutigten die Stoiker ausdrücklich dazu, die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Sie warnten aber auch vor den Gefahren eines ausschweifenden und luxuriösen Lebensstils. Es sei leicht, sich darin zu verheddern und dadurch die persönliche Freiheit und Seelenruhe zu verlieren.

Eine ihrer Strategien für ein ausgeglichenes Leben bestand darin, vorübergehend und freiwillig auf Annehmlichkeiten zu verzichten. Das schließt auch Bestandteile unseres Alltags ein, die wir als essenziell für unser Glück erachten.

Die Praxis des freiwilligen Verzichts bringt eine Vielzahl von Vorteilen mit sich. Die wichtigsten sehen wir uns jetzt näher an.

Du wirst stärker

Die Stoiker wussten, dass das, was uns ab einem gewissen Maß schädigt, in der richtigen Dosierung auch stärker machen kann. Dieses Konzept nennt man Hormesis. Es stellt eines der Grundprinzipien der Biologie dar.

Große Anstrengung durch hartes körperliches Training tut kurzfristig weh. Zu wenig Bewegung sowie die Vermeidung jeglicher Belastung schädigen uns jedoch dauerhaft. Längeres Hungern wird ab einem gewissen Punkt gefährlich, kurze Fastenperioden wirken sich dagegen positiv auf unsere Gesundheit aus. Das Gleiche gilt für Kälte, Hitze, Schmutz und eine ganze Reihe weiterer Faktoren. In der richtigen Dosierung stärken sie uns. Was von der modernen Wissenschaft heute durch Studien bestätigt wird, ahnten die Stoiker bereits vor sehr langer Zeit.

„Die Gesundheit vieler, geschwächt durch übermäßigen Luxus und Komfort, wird durch das Exil gestärkt, was sie dazu zwingt, ein einfacheres und lebendigeres Leben zu führen.“

Der Nutzen wirkt sich nicht nur physisch, sondern auch psychisch aus. Wir gewöhnen uns schnell an unsere Komfortzone. Wir vermeiden es, etwas zu tun, was uns Angst oder Unbehagen bereitet. Die Konsequenz: Mit der Zeit wird unsere Welt immer kleiner. Routine und vertraute Wege bestimmen unser Leben.

Der Ausweg besteht darin, unsere Komfortzone häufiger zu verlassen und stattdessen Zeit in Lern- oder Wachstumszonen zu verbringen.

Wir sollten an Paracelsus denken. Die Dosis macht das Gift. Übermäßiger Konsum ist genauso schlecht wie exzessive Selbstkasteiung. Wir müssen uns nicht konstant unwohl fühlen und uns permanent Stressfaktoren aussetzen. Es ist richtig, lebensbedrohlichen Gefahren aus dem Weg zu gehen. Der goldene Mittelweg besteht darin, sich schrittweise und unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten, Unbequemlichkeiten und stressigen Situationen auszusetzen.

Kurz zusammengefasst: Je mehr wir freiwillig aushalten, desto weniger leiden wir im Ernstfall. Menschen, die sich in guten Zeiten abhärten, ertragen Krisen besser. Wenn wir merken, wie unser Geist und Körper stärker werden, gewinnen wir Selbstvertrauen. Wir halten aus, was vor ein paar Wochen noch unmöglich schien.

Du verringerst die Abhängigkeit

Angst entsteht oftmals aus der Furcht, das zu verlieren, was wir besitzen. Wenn wir aber für eine vorübergehende Zeit ohne das leben, was wir für unentbehrlich halten, verringert sich diese negative Emotion.

Zu Zeiten Senecas und Epiktets war das Glück besonders unbeständig. Wenn man die Gunst des Herrschers verlor, war das Eigentum in Gefahr. Mitunter drohte sogar die Verbannung auf eine weit entfernte Insel. Um die Angst vor Armut und Exil zu überwinden, empfahlen die Stoiker, regelmäßig für eine bestimmte Zeitspanne wie ein armer Mensch zu leben. Auf diese Weise erkannten sie, dass das, was sie fürchteten, bei Weitem nicht so schrecklich war. Die Folge? Sie genossen ihr Leben und waren frei(er) von Angst.

Wenn du dich daran gewöhnst, zeitweise zu fasten, wirst du dich weniger vor einem leeren Magen oder Hunger fürchten. So kannst du wandern gehen, ohne dir Sorgen zu machen, gleich einen Schwächeanfall zu erleiden, wenn gerade keine Verpflegung verfügbar ist. Tatsächlich kann es schön sein, nicht ständig überlegen zu müssen, was und wo man als Nächstes isst.

Das Gleiche gilt für Kälte, ein weiterer Stressfaktor, über den die Stoiker nachdachten. Diejenigen, die sich am meisten davor schützen, haben die größte Angst davor. Sowohl Seneca als auch Musonius Rufus empfahlen daher, sich gelegentlich bewusst der Kälte auszusetzen oder gewisse Strecken barfuß zu laufen. Viele Studien zeigen, dass beide Verhaltensweisen unsere Gesundheit verbessern. Grundsätzlich benötigen wir weniger, als wir denken. Und je weniger Dinge oder Schutz wir benötigen, desto freier sind wir.

Dieses freiwillige Aushalten von unangenehmen Dingen lässt uns auch das Wesentliche mehr wertschätzen. Für ein gutes Leben braucht es nicht viel. So verlieren mögliche Schicksalsschläge ihre Furcht einflößende Wirkung. Denn wir können auf viel Überflüssiges verzichten.

Du weißt mehr das zu schätzen, was du bereits hast

Wenn du auf etwas, das dir Freude macht, vorübergehend freiwillig verzichtest, weißt du es anschließend viel mehr zu schätzen. Nach einer Fastenzeit schmeckt ein Apfel großartig. Nach einiger Zeit in der Kälte bist du dankbar für deine warme Wohnung. Entbehrung intensiviert den Genuss.

„Gerstenbrei oder eine Kruste aus Brot und Wasser ist kein besonders schmackhaftes Essen, aber nichts macht uns mehr Freude als die Fähigkeit, selbst das zu genießen, und das Gefühl, etwas erreicht zu haben, dass uns niemand vorenthalten kann, nicht einmal ein unfairer Schicksalsschlag.“

Jedes Mal, wenn etwas Gutes oder Schönes neu in unser Leben kommt, erleben wir eine kurze Zeit der Freude. Einige Tage später kehrt wieder Normalität ein. Unsere anfängliche Begeisterung ist weg. Ein vorübergehender Verzicht wirkt hier wahre Wunder. Plötzlich sind wir wieder froh über das, was wir haben. Im Alltag fehlt uns oftmals der Abstand, um zu erkennen, welches Glück wir haben. Freiwilliger Verzicht kann dafür sorgen, dass wir dankbarer sind.

Titelfoto: Harli Marten

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