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Die Nahrungsergänzungsmittel Beta-Alanin und Natriumbicarbonat auf dem Prüfstand

Bei intensiver Aktivität übersäuern unsere Muskeln vorübergehend, was zur Ermüdung beiträgt. Nahrungsergänzungsmittel wie Beta-Alanin oder Natriumbikarbonat wirken diesem Effekt entgegen und können unsere sportliche Leistung leicht verbessern. Im heutigen Artikel schauen wir uns beide näher an. 

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In früheren Artikeln haben wir bereits über leistungssteigernde Substanzen wie Kreatin und Koffein gesprochen.

Heute stellen wir eine weitere Gruppe von Nahrungsergänzungsmitteln vor, die auf eine andere –  möglicherweise ergänzende – Weise wirken. Da körperliche Aktivität die Muskeln vorübergehend übersäuert, könnten Mittel, die diesem Effekt entgegenwirken, die Leistung verbessern.

Im Folgenden analysieren wir die beiden Nahrungsergänzungsmittel, die diesen Zweck laut Studienlage am besten erfüllen: Beta-Alanin und Natriumbic(k)arbonat.

Lactat und H+

Jahrelang hielt man Lactat für ein einfaches Abfallprodukt des Stoffwechsels. Ein notwendiges Übel, das mit der Energieproduktion einhergeht. Da die Müdigkeit mit steigendem Lactatgehalt im Blut zunimmt, glaubte man zunächst sogar, dass Lactat ursächlich für den Leistungsabfall sei. Ganz nach dem Prinzip, dass man Feuerwehrleute für Brandstifter halten könnte, weil man sie immer nur dann sieht, wenn es brennt. 

Heute weiß man jedoch, dass Lactat eigentlich nur eine weitere Energiequelle und ein wichtiges Signalmolekül ist (mehr Details). Deine Muskeln produzieren Lactat nicht, um dich zu bestrafen, sondern um dir zu helfen (mehr Details).

Allerdings werden bei der Aktivierung unseres glykolytischen Systems auch andere Verbindungen freigesetzt, z. B. Wasserstoffionen (H+), die den pH-Wert des Muskels senken und die Kontraktionsfähigkeit einschränken (mehr Details).

Energiesysteme des Körpers: Das glykolytische System produziert Laktat und H+.

Hier kommen nun Verbindungen ins Spiel, die als pH-Puffer fungieren: Beta-Alanin und Natriumbikarbonat. 

Beta-Alanin

Beta-Alanin ist eine spezielle Version der nicht essenziellen Aminosäure Alanin. Bei der Einnahme verbindet sich Beta-Alanin mit der Aminosäure Histidin und es entsteht Carnosin. Eine mehrwöchige Supplementierung mit Beta-Alanin kann den Carnosinspiegel in den Muskeln um mehr als 60 % erhöhen (Studie).

Carnosin hat mehrere Funktionen. Im Hinblick auf die sportliche Leistung sind wir aber besonders an der Fähigkeit des körpereigenen Peptids interessiert, der Übersäuerung der Muskeln entgegenzuwirken und so die Ermüdung zu verringern.

Was sagt die Forschung?

Es gibt Dutzende Studien über die Wirkung von Beta-Alanin. Wenn wir uns aber auf die vorhandenen systematischen Übersichten (Meta-Analyse I, Review, Meta-Analyse II) konzentrieren, kann man feststellen:

  • Eine mehrwöchige Supplementierung verbessert die körperliche Leistung bei hochintensiven Aktivitäten mit kurzer Dauer zwischen 1 und 7 Minuten. Das heißt, CrossFit-Sportler und Gewichtheber können auf einen positiven Effekt hoffen. 
  • Die Verbesserung ist zwar statistisch signifikant, aber dennoch gering (< 3 %).
  • Um Ergebnisse zu erzielen, ist die tägliche Einnahme von 3 bis 6 g für mindestens 2–4 Wochen erforderlich.
  • Bei Ausdauersportarten sind die Vorteile weniger eindeutig. Das gilt insbesondere für Sportler auf einem fortgeschrittenen Leistungsniveau. 
  • Die Supplementierung kann neuromuskuläre Ermüdung verhindern, vorwiegend bei älteren Sportlern.

Die Einnahme sollte auf mehrere Portionen pro Tag aufgeteilt werden, idealerweise zu den Mahlzeiten, da Insulin den Eintritt von Beta-Alanin in den Muskel erleichtert (Studie). Obwohl es üblicherweise vor dem Training eingenommen wird, wirkt es durch zelluläre Sättigung (wie Kreatin), sodass du Beta-Alanin im Prinzip jederzeit einnehmen kannst.

Die verteilte Aufnahme über den Tag verringert auch das Risiko der einzigen bekannten Nebenwirkung: Parästhesie (mehr Details), ein harmloses, aber lästiges Jucken oder Kribbeln in den Händen und im Gesicht. Wenn du z. B. mit 3 g/Tag beginnst, solltest du drei Dosen mit jeweils einem Gramm einnehmen

Ist das nicht in Lebensmitteln enthalten?

Beta-Alanin erhöht den Carnosinspiegel in den Muskeln, aber wir können Carnosin natürlich auch direkt über die Nahrung aufnehmen. Und wie der Name schon sagt, ist die beste Quelle hierfür Fleisch (einschließlich Fisch). Deswegen haben Veganer einen niedrigeren Carnosinspiegel in den Muskeln (Studie). Dennoch gibt es keine Studien über eine mögliche stärkere Wirkung bei Sportlern, die kein Fleisch verzehren (mehr Details).

Eine andere Möglichkeit wäre die direkte Zufuhr von Carnosin, das jedoch von unserem Verdauungssystem zunächst in seine Aminosäuren (Beta-Alanin und Histidin) aufgespalten wird, sodass es effizienter wäre, nur Beta-Alanin zuzuführen.

Natriumbikarbonat bzw. Natriumbicarbonat

Nur wenige Verbindungen sind so vielseitig wie das bescheidene Natriumbikarbonat. Zu seinen zahlreichen Verwendungen im Haushalt kommt die Fähigkeit, die Leistung zu verbessern, insbesondere bei kurzen, intensiven Anstrengungen: etwa HIIT-Einheiten oder Krafttraining bis zum Muskelversagen (Review I, Review II, Review III, Meta-Analyse I, Meta-Analyse II).

Natriumbicarbonat hat viele Anwendungsmöglichkeiten

Nachfolgend exemplarisch die Ergebnisse einiger Studien. Natriumbicarbonat …

  • … verbesserte die Leistung bei Basketballspielerinnen (Studie).
  • … ermöglichte mehr Wiederholungen bei Kniebeugen bis zum Muskelversagen (Studie).
  • … sorgte für eine schnellere Zeit bei einem 2.000-Meter-Ruderwettkampf, insbesondere für eine bessere Leistung im letzten Teil des Rennens (Studie).
  • … verbesserte die Leistung bei Radfahrern (Studie).
  • … verbesserte die Leistung bei Sprintintervallen (Studie).
  • … sorgte für weniger Ermüdung und Leistungsabfall bei Tennisspielern (Studie) und Boxern (Studie).

Natriumbicarbonat liefert im Allgemeinen bessere Ergebnisse als Beta-Alanin (Meta-Analyse) und ist außerdem deutlich billiger.

Warum wird Natriumbicarbonat trotz all dieser positiven Effekte dann nicht viel mehr im Sport eingesetzt? Das Problem ist die Dosierung. Um einen Nutzen zu erzielen, muss man Mengen von 0,3-0,5 g/kg zu sich nehmen. Bei einem Gewicht von 70 kg wären das zum Beispiel 20–35 Gramm. Bei vielen Menschen führt diese Menge zu ungewünschten Nebenwirkungen, wie Durchfall. 

Um dieses Problem zu vermeiden, wurden auch moderatere Protokolle untersucht, bei denen anstelle des traditionellen Timings der Einnahme (1–2 Stunden vor dem Training) kleine Mengen über den Tag verteilt eingenommen werden, am besten zu den Mahlzeiten (Studie). Dadurch lassen sich die Nebenwirkungen reduzieren, ohne dass das Ergebnis beeinträchtigt wird (Studie I, Studie II).

Die individuelle Verträglichkeit und Reaktion ist sehr unterschiedlich (mehr Details I, mehr Details II, mehr Details III), wobei einige Studien auch keinen Nutzen nachweisen konnten (Review, Studie I, Studie II).

Wenn du experimentieren möchtest, starte mit kleinen Dosen (0,1-0,2 g/kg). Bevor du Natriumbikarbonat in einem Wettkampf einnimmst, solltest du es vorher mehrmals im Training getestet haben. 

Hinweis: Eine interessante (und kostenlose) Strategie, um eine ähnliche Wirkung zu erzielen, ist das gezielte Hyperventilieren vor körperlicher Anstrengung. Das hebt den pH-Wert des Blutes an und dient als Puffer (Studie).

Synergieeffekte

Es gibt Studien, die nahelegen, dass eine Kombination von Natriumbikarbonat und Beta-Alanin besser funktionieren könnte, als wenn man eine der beiden Substanzen allein einnimmt (Studie I, Studie II). Außerdem könnte dadurch die benötigte Dosis an Natriumbikarbonat verringert und so mögliche Nebenwirkungen minimiert werden.

Die Kombination von Beta-Alanin und Natriumbicarbonat (BA+SB) scheint besser zu wirken als eine der beiden Substanzen allein. Quelle: Pubmed (Klick auf die Grafik)

Sowohl Beta-Alanin als auch Natriumbicarbonat fördern in erster Linie das glykolytische System, während Kreatin das phosphagene System stärkt. Deswegen scheint die Kombination von Kreatin mit Beta-Alanin (Studie) oder von Kreatin mit Natriumbikarbonat (Studie) zusätzliche Vorteile zu bieten.

Schlussfolgerungen

Bei intensiver Aktivität übersäuern die Muskeln vorübergehend, was zur Ermüdung beiträgt. Nahrungsergänzungsmittel wie Beta-Alanin oder Natriumbikarbonat wirken diesem Effekt entgegen und können unsere Leistung leicht verbessern. 

Der positive Effekt ist jedoch gering (2–3 %) und kommt in der Regel nur bei sehr spezifischen Aktivitäten, die eine hohe (nicht maximale) Anstrengung für einige Minuten erfordern, zum Tragen. Aus diesem Grund sollten Beta-Alanin und Natriumbikarbonat eher nicht allein eingenommen werden, sondern mit anderen Nahrungsergänzungsmitteln kombiniert werden, um einen Synergieeffekt zu erzielen. 

Wenn du mehr über andere Nahrungsergänzungsmittel erfahren möchtest, klicke hier

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