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Befreie deine Füsse – Teil I

Befreie deine Füße – Teil I 

Heute geht es um deine Füße und die Gründe, warum du sie befreien solltest: Deine Haltung und Gesundheit verbessern sich und wer weiß: Vielleicht macht dich das Barfußlaufen sogar schlauer

Inspiration für die Übersetzung dieses Artikels über das Barfußlaufen war Christopher McDougall, der Autor des tollen Buchs Born to Run, der kürzlich im Rich Roll Podcast zusammen mit seinem Co-Autor Eric Orton Born to Run 2 vorgestellt hat. Ein Buch, das auch bei uns unter dem Weihnachtsbaum liegen wird. 

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„Der Fuß spürt den Fuß, wenn er den Boden spürt.“

Von Leonardo da Vinci stammt das Zitat: „Der Fuß ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst und ein Kunstwerk“. Er besteht aus einem komplizierten Netzwerk aus Muskeln, Sehnen, Bändern, Faszien und Knochen (ein Viertel aller deiner Knochen befinden sich in deinen Füßen). Die Fußsohle hat eine höhere Dichte an Nervenenden als jeder andere Bereich des Körpers und bietet einen ähnlichen sensorischen Reichtum wie die Hände.

Was aber machen wir moderne Menschen mit diesem MeisterwerkWir sperren unsere Füße weg und lassen sie für lange Zeit in ihren Isolationszellen.  

Wie alle anderen Tiere liefen der Mensch und seine Vorfahren seit Millionen von Jahren barfuß. Die ältesten bisher gefundenen Sandalen sind etwa 5.000 Jahre alt (mehr Details). Diese boten zwar Schutz, veränderten aber nicht unser grundlegendes Bewegungsmuster.

Fast alle Schuhe in den letzten paar Tausend Jahren waren ähnlich gestaltet, bis die neue Sportartikelindustrie in den 1970er-Jahren den Lauf unserer Füße veränderte. Fortan schien unsere natürliche Biomechanik nicht mehr ausreichend für sportliche (Höchst-)Leistungen zu sein. Es begann die Ära der Schuhe mit Dämpfung. Luftkammern und mehrere Zentimeter Absatz wurden zur Norm. Unsere Art zu laufen veränderte sich und damit auch unsere Anatomie.

Die Ära der Schuhe mit Dämpfung

Sehen wir uns im Folgenden einige der Probleme an, die das Tragen von Schuhen mit Absatz auf uns hat:  

Verformte Füße und weniger Funktionalität

Vor über hundert Jahren fotografierte Dr. Philip Hoffman Füße in Stammesgemeinschaften, die keine Schuhe kannten. Ihre Zehen waren gespreizt und boten eine stabile Stützbasis. Er verglich sie mit Füßen, die ihr ganzes Leben Schuhe getragen hatten. Die Unterschiede sind eindeutig. 

Zwar sind nicht alle Schäden reparabel, aber deine Füße können einen Teil ihrer natürlichen Struktur und Funktionalität wiedererlangen. Dr. Nick veröffentlichte auf seiner Seite die Veränderungen eines Patienten nach zwei Jahren mit minimalistischen Schuhen. Es gibt also einen Weg zurück. 

Im Laufe der Zeit können deine Zehen einen Teil ihrer natürlichen Form wiedererlangen.

Deformierte Zehen sind aber nur ein Teil des Problems (mehr Details). Teile deiner Muskeln verkümmern (Studie), das natürliche Gewölbe wird schwächer und die Faszien steifer.

Schuhe mit hohem Absatz verkürzen die Achillessehne (die stärkste und dickste Sehne des Körpers). Unsere Achillessehne war eine der evolutionären Anpassungen, die es uns ermöglichte, von Pflanzenfressern zu Jägern zu werden. Das wiederum führte über lange Zeit erst zu unserem fortgeschrittenen Gehirn.

Die Achillessehne speichert elastische Energie, treibt Sie durch jeden Schritt und reduziert den Energieverbrauch (Studie).

Ähnliches passiert mit dem Fußgewölbe. Es ist unser natürliches Dämpfungssystem mit einer Feder, einem Dutzend Bändern und vier Muskelschichten. Indem wir eine externe Stütze unter unser Fußgewölbe legen, behindern wir seine Funktionalität. Mit der Zeit wird es schwächer, was zur hohen Prävalenz von Plattfüßen beiträgt (Studie).

Externe Dämpfung wirkt sich auch negativ auf dein propriozeptives System aus. Der sensorische Reichtum des Fußes ermöglicht es dem Gehirn, sich ein mentales Bild des Geländes zu machen. Deine Füße scannen laufend den Untergrund und nehmen Unebenheiten, Textur, Unregelmäßigkeiten, Temperatur und vieles mehr wahr. Das Tragen von Schuhen verzerrt dieses Bild, verschlechtert dein Gleichgewicht und deine Stabilität (Studie I, Studie II).

Betrachte es so: Deine Füße sind dein Fundament. Wenn sie sich nicht wohlfühlen, leidet der Rest deines Körpers.

Deine Körperhaltung verschlechtert sich

Die Ferse des Schuhs trägt das Gewicht des Körpers in Richtung der Zehen und verursacht eine Kaskade an Aufwärtskompensationen bzw. Ausweichbewegungen: gedrehtes Becken, Lendenüberdehnung, nach vorn gerichteter Nacken … (Studie). Stundenlanges Sitzen verstärkt das Problem zusätzlich. Der Auslöser aber liegt in den Füßen.

Die Tücken der Absätze

Besonders gefährlich sind Damenschuhe mit hohen Absätzen. Gelegentlich ein Abend in hochhackigen Schuhen stellt noch kein Problem dar. Die tägliche Verwendung (z. B. in der Arbeit) dagegen ist eine katastrophale Idee. Hochhackige Schuhe …: 

  • … sind die direkte Ursache vieler Stürze und Verletzungen (Studie)
  • … verändern die natürliche Gangart (Studie) und die Struktur der Zehen (mehr Details).
  • … beeinträchtigen die Körperhaltung: Der Kopf geht nach vorn, Becken-Anteversion, X-Beine … (Review).
  • Eine kürzlich durchgeführte Studie kommt zu dem Schluss, dass sehr hohe Absätze (über 8 cm) Arthrose im Knie verursachen können.

Das Verletzungsrisiko erhöht sich

Eine schlechtere Stabilität und Körperhaltung erhöhen das Verletzungsrisiko bei jeder Aktivität. Sie sind allerdings nicht das einzige Problem.

Die Schwäche der Brücke, die Dämpfung zusammen mit einer verkürzten Achillessehne (Studie) belasten die Faszien stark, was schließlich zu einer Entzündung und Plantarfasziitis führen kann.

Die „Lösung“ vieler Experten liegt – wie so oft – darin, das Symptom zu behandeln. Du sollst dann durch geeignete Schuhe mehr Unterstützung und Schutz hinzufügen. Nach kurzfristiger Linderung führt dies aber dazu, dass der Fuß weiter geschwächt wird. 

Durch das Laufen vergrößert sich das Risiko. 70–90 % der Läufer verletzen sich (Studie I, Studie II) – trotz aller „Fortschritte“ der Schuhindustrie in den vergangenen Jahrzehnten. Jede andere Spezies in freier Wildbahn mit diesen ständigen Verletzungsproblemen wäre längst ausgestorben.

Ist es wirklich möglich, dass zu viel Dämpfung im Schuh für viele Verletzungen verantwortlich ist? Die Beweise sprechen dafür:

  • In dieser Studie berichteten Läufer mit Schuhen von mehr Verletzungen als diejenigen, die barfuß liefen.
  • Mehrere Studien weisen darauf hin, dass umso mehr Verletzungen auftreten, je teurer und raffinierter das Schuhwerk ist. Läufer mit Schuhen über 90 Dollar Einkaufspreis hatten doppelt so viele Verletzungen wie Läufer mit Schuhen für 40 Dollar. Doppelter Preis, doppelter Schmerz? 
  • Mehr Geld für Analysen des Fußabdrucks auszugeben, um passende Laufschuhe zu finden, reduziert das Verletzungsrisiko auch nicht und kann dieses sogar erhöhen (Studie I, Studie II, Studie III).
  • Laut einer Studie der US-Armee kommt es bei Trägern herkömmlicher Schuhe häufiger zu Verletzungen als bei Läufern mit einem minimalistischen Schuhwerk.

Ohne Zweifel ist deine Biomechanik beim Laufen wichtiger, um Verletzungen zu reduzieren als Schuhe. Aber die Schuhe konditionieren deine Biomechanik.

Beim Barfußlaufen (oder beim Laufen mit minimalistischen Schuhen) würde wohl niemand auf der Ferse landen. Intuitiv priorisieren wir den vorderen Teil oder die Fußmitte (Studie).

Dazu ein praktisches Beispiel: Beim Versuch, so hoch wie möglich zu springen, kommst du sicher nicht auf die Idee, mit der Ferse zu landen. Das Gleiche gilt für das Laufen. 

Die Ferse erzeugt eine hohe anfängliche Stoßwelle, die möglicherweise auch Knie und Hüfte schädigt. Dieser negative Effekt verschwindet beim Bodenkontakt mit dem vorderen oder mittleren Teil des Fußes. Hier wird weder der Knöchel noch das Knie blockiert, wodurch die natürliche Dämpfung unseres Körpers erleichtert wird (mehr Details).

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Während der typische Läufer lange Schritte macht und konstant auf der Ferse landet, landet der Barfußläufer nahe an seinem Schwerpunkt, ohne das Bein zu strecken, minimiert die Bodenkontaktzeit und nutzt so die natürliche elastische Kraft.

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Es gibt verschiedene Lauftechniken, aber alle guten haben viele Elemente gemeinsam. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die POSE Methode von Nicholas Romanov.

Die kognitive Entwicklung bei Babys wird beeinflusst

Nach Ansicht vieler Experten besteht die Hauptfunktion des Gehirns darin, Bewegungen zu steuern. Tatsächlich formt Bewegung unser Gehirn.

Eine interessante Studie aus Spanien beschreibt, wie Vorlauf- und Krabbelschuhe die psychomotorische Entwicklung des Kindes beeinträchtigen können. Einige der Botschaften daraus sind:

  • Für die richtige Entwicklung des Nervensystems ist das Barfußlaufen in den ersten Lebensjahren unerlässlich. 
  • Die motorische Entwicklung ist die Basis der intellektuellen Entwicklung. Sie ist von zentraler Bedeutung, um auf höhere Denkprozesse zugreifen zu können.
  • Die eigenen Füße zu halten, lässt Babys die Grenzen des eigenen Körpers spüren und trägt zur kognitiven Entwicklung bei. Nackte Füße und Füße, die zum Mund geführt werden, fördern den Reifegrad der Propriozeption.
  • Die taktile Sensibilität der Füße sollte nicht durch das ständige Anziehen von Socken oder Schuhen unterdrückt werden. Die Füße vermitteln eine große Menge an Informationen, welche die psychomotorische Entwicklung des Kindes begünstigen. Die Bewegungsfreiheit der Füße und Zehen sollte jederzeit gefördert werden. 
  • Ein Kind benötigt taktile Stimulation, Druck und Unregelmäßigkeiten im Gelände, um die Propriozeption zu schärfen, die Position der Gelenke zu verbessern und die Muskeln zu stärken.
Barfuss is King (nicht nur bei Babys)

Das abschließende Fazit ist eindeutig: „Wir dürfen die propriozeptive, neuromuskuläre und intellektuelle Entwicklung des Kindes nicht behindern, indem wir seine Füße in Schuhe stecken, die es nicht braucht. Im Gegenteil: Kinder sollten ermutigt werden, barfuß ihren Körper zu entdecken und ihre motorischen Fähigkeiten zu entwickeln“.

Auch bei Erwachsenen gibt es Studien (wie diese), die Läufern mit minimalistischen Schuhen eine fröhlichere Gemütsverfassung attestiert und untersucht, wie der sensorische Reichtum der Füße als Antidepressivum wirken kann.

Separation vom Boden

Mit gedämpften Schuhen fühlt sich das Terrain für dein Gehirn immer nahezu gleich an. Es nimmt nicht wahr, ob du auf Steinen, Gras, Sand oder Zement läufst. Infolgedessen werden Informationen ignoriert, die es von den Tausenden Nervenenden im Fuß erhält. Barfußlaufen reaktiviert diesen sensorischen Fluss. Das Gehen wird so wieder zu einem magischen Erlebnis. 

Schuhe für jeden Anlass

Wenn du negative Auswirkungen auf dein soziales Leben befürchtest, wenn du barfuß die Straße entlanggehst, können wir dich beruhigen. Es ist nicht notwendig, ständig barfuß zu sein. Es geht nicht darum, Schuhe zu vermeiden, sondern darum, zukünftig eine bessere und gesündere Wahl zu treffen, die besser für deine Füße ist. Heutzutage gibt es eine riesige Auswahl an geeigneten Schuhen für jeden Geschmack und Anlass.

Wenn du künftig mehr in minimalistischen Schuhen läufst, stärkst du deine Füße (Studie). Mit der Zeit wirst du einige Verbesserungen spüren, wie eine Studie mit Kindern zeigt, die mehr Zeit barfuß verbrachten.

Jedes minimalistische Schuhwerk sollte grundsätzlich diese Regeln erfüllen:

  • Flexibilität: Die Bewegung deiner Füße sollte in keine Richtung eingeschränkt sein.
  • Breite: Deine Zehen sollten Platz haben und nicht zusammengepresst werden
  • Keine Dämpfung: Achte auf eine dünne Sohle, die schützt, dich aber den Untergrund spüren lässt.
  • Minimaler „Drop“: Der Drop ist die Differenz zwischen der Rückseite (Ferse) und der Vorderseite (Spitze) des Schuhs.  Bei normalen Schuhen beträgt dieses Gefälle 1–2 cm, ideal wären aber null. Es ist sinnvoll, den Drop schrittweise zu reduzieren und deine Füße langsam umzugewöhnen. 

Einige Beispiele für gute minimalistische Schuhe: 

Auch die Sportartikelindustrie scheint mittlerweile verstanden zu haben, wie wichtig es ist, die Füße zu befreien.

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Befreie deine Füße - Schritt für Schritt

Trotz der enormen Vorteile, die viele Menschen erleben, die ihre Füße aus der Enge befreit haben, warnen einige Experten vor vermehrten Verletzungen durch minimalistisches Schuhwerk (Beispiel I, Beispiel II). Und damit haben sie recht.

Unsere Füße sind mitunter seit Jahrzehnten eingesperrt. Und was passiert, wenn du dir den Arm brichst und einen Gips bekommst? Deine Muskeln verkümmern, die Knochen werden schwächer und das propriozeptive System wird beeinträchtigt. Deine Füße benötigen Zeit, sich anzupassen.

Du kannst nicht sofort von Schuhen in Absätzen und Schuhen mit 2 cm Gummi unter der Ferse zu einem Ausflug in die Berge mit Barfußschuhen übergehen. Die Verletzungsgefahr ist zu groß. Wie immer solltest du dich zuerst gut bewegen, bevor du dich viel bewegst.

Im zweiten Teil dieses Artikels geht es um den richtigen Übergang zu gesünderen Schuhen und dem Barfußlaufen. Der Weg zur Freiheit erschließt sich Schritt für Schritt.

Titelfoto von Merri J  

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