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Wann es Sinn macht, Kalorien zu zählen (+ Antworten auf die häufigsten Fragen)

Im heutigen Artikel erfährst du, wann es Sinn machen kann, Kalorien zu zählen. Des Weiteren beantworten wir die häufigsten Fragen zu diesem Thema. 

Im vorherigen Beitrag haben wir gesehen, warum wir bei der derzeitigen Besessenheit von Kalorien als erster Angriffslinie das Wichtigste aus den Augen verlieren: das Essen.

Aber wenn du dich von unverarbeiteten, echten Lebensmitteln ernährst, hilft dir das Zählen der Kalorien dabei, dein Wunschgewicht zu erreichen. Nur weil Kalorien nicht die Hauptsache sind, heißt das nicht, dass wir sie ignorieren sollten. 

Wenn du mit deiner Körperzusammensetzung und deiner Ernährung zufrieden bist, kannst du einfach so weitermachen wie bisher. Aber wenn du deine Ziele mit einem intuitiven Ansatz nicht erreichst, wirst du von einer eher normativen Methodik profitieren.

Heute erläutern wir die relative Bedeutung der verschiedenen Faktoren, die mit deiner Ernährung zusammenhängen, gehen auf die Vorteile des Kalorienzählens ein und beschreiben den Schlüssel zur richtigen Ernährung.

Faktoren, die eine Rolle spielen

Bevor wir uns mit den einzelnen Teilen befassen, müssen wir ihren Platz in der Gesamtgleichung verstehen. Wie das folgende Schaubild zeigt, sind Lebensmittel ein Querschnittsthema für alle anderen Faktoren, die bei der Ernährung eine Rolle spielen.  

  • Kalorien: Die aufgenommene Gesamtenergie ist der Faktor, der dein Gewicht am meisten beeinflusst.
  • Makronährstoffe: Bei gleicher Kalorienzufuhr beeinflusst die unterschiedliche Verteilung der Makronährstoffe (also Proteine, Fette und Kohlenhydrate) dein Gewicht und insbesondere deine Körperzusammensetzung (Muskel-/Fettanteil). Diese Makronährstoffverteilung sollte je nach den individuellen Zielen, der körperlichen Aktivität und den bekannten Unverträglichkeiten angepasst werden.
  • Häufigkeit: Obwohl dies ein sekundärer Faktor ist, ist es nicht dasselbe, ob man zwei- oder sechsmal am Tag isst. Empfehlenswert ist in der Regel die kleinste Anzahl an Mahlzeiten zu sich zu nehmen, mit der man sich wohlfühlt und auch gelegentlich zu fasten. 
  • Nahrungsergänzungsmittel: Hat man die anderen Faktoren entsprechend beachtet, können auch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel helfen. Diese werden aber immer nur eine kleine Nebenrolle spielen. Es ist gleichzeitig absurd und teuer, zu versuchen, schlechte Ernährung oder mangelhaftes Training mit Nahrungsergänzungsmitteln zu kompensieren.

Nachdem nun das Gesamtbild klar ist, befassen wir uns im Folgenden mit den Vorteilen der Kontrolle der beiden Hauptfaktoren Kalorien und Makronährstoffe

Vorteil Nr. 1) Du lernst etwas über Lebensmittel und ihre Wirkung auf deinen Körper

Je besser du die Lebensmittel kennst, desto mehr Kontrolle hast du über deine Fortschritte. Wie viele Kalorien stecken in einer Banane, wie viel Eiweiß in einer Hühnerbrust und wie viele Kohlenhydrate in einer gekochten Kartoffel? Wenn du deine Ernährung ein paar Tage lang protokollierst, kannst du diese Fragen leicht beantworten.

Aber das Wichtigste ist nicht, die Lebensmittel zu kennen, sondern ihre Auswirkungen auf deinen Körper einschätzen zu können.

Wie wir im vorigen Artikel gesehen haben, können die Standardformeln zur Schätzung des Kalorienbedarfs eine erhebliche Fehlerspanne aufweisen. Indem du deine Ernährung und die Entwicklung deines Körpers (Gewicht und Körperfettanteil) im Laufe der Zeit verfolgst, kannst du deinen tatsächlichen Stoffwechsel und Energieverbrauch genauer bestimmen.

Foto von Sara Cervera auf Unsplash

Wenn die Formeln beispielsweise 2.000 Kalorien veranschlagen, du aber mit dieser Zufuhr Gewicht verlierst, weißt du, dass dein tatsächliches Erhaltungsniveau etwas höher liegt. Wenn du damit dagegen Fett ansammelst, ist dies ein Hinweis darauf, dass dein Gesamtkalorienverbrauch niedriger ist als geschätzt.

Hier geht es nicht nur um die Auswirkungen auf die Körperzusammensetzung, sondern auch um deine allgemeine Gesundheit. Wenn du merkwürdige Symptome bemerkst, kannst du diese in deinem Tagebuch festhalten und nachsehen, ob du in den vorangegangenen Tagen etwas Besonderes gegessen hast oder dir bei den konsumierten Mengen etwas auffällt.

Vorteil Nr. 2) Hilft bei der Regulierung der Hormone

Einer der vielen Vorteile echter, unverarbeiteter Lebensmittel besteht darin, dass sie die hormonelle Regulierung erleichtern und den natürlichen Hunger-Sättigungs-Zyklus wiederherstellen können.

Die Hormone spielen die Hauptrolle, aber die Anpassung von Kalorien und Makros ist eine zusätzliche Möglichkeit, diese Hormone nach unserem Willen zu formen.

Wenn du Diabetiker bist oder eine schlechte Glukosetoleranz hast, kannst du mit verschiedenen Kohlenhydratmengen experimentieren, bis du deinen idealen Grenzwert gefunden hast. Wenn du die Insulinresistenz mit ketogener Ernährung bekämpfen willst, musst du deine Kohlenhydratzufuhr noch genauer anpassen.

Vorteil Nr. 3) Du wirst zur Ehrlichkeit gezwungen

Unser Gehirn spielt uns ständig Streiche. Der Verstand erinnert sich zwar an die Momente, in denen die Vernunft siegte (an all die Salate), vergisst aber leicht die Momente der Schwäche. Studien zeigen, dass wir viel mehr essen, als wir glauben (Studie IStudie II).

Wenn du alle deine Mahlzeiten über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufzeichnest, musst du dich der Realität stellen. Bevor du einem langsamen Stoffwechsel die Schuld gibst, solltest du eine ehrliche Analyse durchführen.

Das Zählen der Kalorien erzieht zur Ehrlichkeit // Foto von Jametlene Reskp auf Unsplash

Fühlt sich jemand beobachtet, ändert er unbewusst sein Verhalten. Der Effekt wurde erstmals in den 1920er-Jahren in Studien zur Produktivität in industriellen Betrieben dokumentiert. Hier sollte untersucht werden, wie sich kleine Veränderungen in der Umgebung (etwa unterschiedliche Beleuchtung in Fabriken) auf die Produktivität auswirken. Die Forscher waren verblüfft, dass praktisch alles, was sie testeten, die Produktivität deutlich erhöhte. Die eigentliche Überraschung war aber, dass die Produktivität wieder auf das vorherige Niveau zurückging, als die Studie beendet wurde. 

Die größte Auswirkung auf die Produktivität der Arbeitnehmer ergab sich nicht aus einer bestimmten Veränderung, sondern war einfach der Tatsache geschuldet, dass sie sich Arbeiter beobachtet fühlten.

Wenn du deine Mahlzeiten und Snacks aufzeichnest, kannst du dir diesen Effekt zunutze machen und deine Ergebnisse verbessern (Studie IStudie II).

Vorteil Nr. 4) Du kannst Plateaus leichter durchbrechen

Mit einer bewussten Ernährung auf der Grundlage echter Lebensmittel nimmt fast jeder ab. Manche Menschen erreichen so ihr Idealgewicht, andere jedoch nicht. Nach einer Weile erreichen sie das gefürchtete Plateau.

Diejenigen, die ihre Ernährung protokollieren, haben Informationen, um eine bessere Entscheidung zu treffen: xy Kalorien zusätzlich einsparen, Kohlenhydrate auf xy g/kg begrenzen … Ohne diese Informationen musst du dich auf das Prinzip Trial-and-Error verlassen und verschwendest dadurch unnötig Zeit. 

Strategie und FAQ

Die allgemeine Strategie ist einfach:

  1. Schätze deinen Kalorienbedarf. Es gibt verschiedene Formeln, aber fast alle Apps (siehe unten) bieten eine Möglichkeit, diesen Wert zu bestimmen.
  2. Lege deine Kalorien- und Makroziele fest. Für den Fettabbau solltest du die Kalorien um 15–20 % gegenüber deinem Erhaltungsniveau reduzieren. Für den Aufbau solltest du 10–15 % über dem Wert zur Aufrechterhaltung liegen.
  3. Bewerte dein Ergebnis und passe deine Kalorienaufnahme gegebenenfalls an. Aufgrund all der Faktoren, die wir im vorherigen Artikel beschrieben haben, reagiert jeder Mensch unterschiedlich auf Kaloriendefizite oder -überschüsse. Nur wenn du die Ergebnisse deiner Maßnahmen (Gewicht und Körperfettanteil) auswertest, kannst du die notwendigen Korrekturen vornehmen, um weitere Fortschritte zu erzielen. Es ist ausreichend, dies alle 1–2 Wochen zu tun.
  4. Wiederhole den Vorgang. Wenn sich dein Gewicht ändert, ändern sich auch deine Erhaltungskalorien, sodass du diese bisweilen eine neue Berechnung durchführen und ein neues Zielniveau festlegen solltest.

Im Folgenden findest du unsere Antworten auf die in diesem Zusammenhang am häufigsten gestellten Fragen. 

Was benötige ich zum Kalorienzählen?

Nur zwei Dinge:

  1. Eine App, um dein Essen zu protokollieren. Es gibt eine Vielzahl von Anbietern, zum Beispiel YAZIO, MyFitnessPal oder Lifesum.
  2. Eine digitale Küchenwaage (wie diese hier). Es ist viel genauer, alles zu wiegen und aufzuzeichnen, als Portionen oder Einheiten (wie „mittelgroße Banane“) zu verwenden.

Sollten Lebensmittel roh oder gekocht gewogen werden?

Im Allgemeinen sollte man die Lebensmittel roh wiegen. Wirklich wichtig ist jedoch, dass du die Lebensmittel so abwiegst, wie sie in deinem Programm registriert sind (standardmäßig sind sie dort meist ungekocht aufgeführt).

Du kannst etwa gleich für mehrere Tage im Voraus Reis kochen, und dann die Menge abwiegen, die du für die jeweilige Mahlzeit benötigst (gekochter Reis in deiner App).

Sollte ich jeden Tag die gleiche Menge an Kalorien zu mir nehmen?

Nein. Wichtig ist, was über einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel, eine Woche, passiert.

Die folgende Grafik bildet jemanden ab, der an Volumen zulegen möchte (Zielkalorien > Erhaltungskalorien) und der 5 Tage pro Woche trainiert. Wenn er trainiert, liegen die tatsächlichen Kalorien etwas über den Zielkalorien, und wenn er sich ausruht, senkt er sie (am Mittwoch). Am Samstag steigert er die Kalorienaufnahme noch mehr (Abendessen mit Freunden oder vielleicht ein ganzer Cheat Day). Am Sonntag fastet er nach dem 16/8-Protokoll. Insgesamt hat er einen Überschuss erreicht, sodass er – wie erwartet –  an Masse zulegen sollte. Ist das nicht der Fall, liegen zumindest Daten vor, die kontrolliert und angepasst werden können. 

Die schwarzen Punkte stehen für die Wochentage

Das folgende Beispiel bildet jemand ab, der Fett abbauen möchte, sodass seine Zielkalorien unter seinen Erhaltungskalorien liegen. An manchen Tagen liegt er etwas unter dem Zielwert und an manchen Tagen etwas darüber, aber bleibt an sechs von sieben Wochentagen im Defizit (unter dem Erhaltungswert). Lediglich den Samstag nutzt sie oder er gezielt als Ladetag oder Refeed-Tag. Am Sonntag wird dann gefastet, genauer gesagt nur eine geringe Kalorienmenge aufgenommen. Insgesamt steht ein Defizit zu Buche und sie oder er sollte demzufolge Körperfett abbauen und abnehmen. 

Die schwarzen Punkte stehen für die Wochentage

Sind alle Makronährstoffe gleich wichtig?

Nein. Eiweiß spielt eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung deiner Muskelmasse und hat auch einen großen Einfluss auf das Sättigungsgefühl. Es ist wichtiger, auf einen angemessenen Eiweißgehalt zu achten als auf die genaue Aufteilung zwischen Fett und Kohlenhydraten.

Soll ich wirklich alles tracken oder eintragen?

Nein, das musst du nicht. Grünes Blattgemüse wie Rucola oder Spinat hat kaum Kalorien und liefert viele Ballaststoffe. Wir empfehlen dennoch, diese Lebensmittel der Vollständigkeit halber zu erfassen, aber sie sind kaum von Bedeutung. Zwei Esslöffel Kokosnussöl in deinem Kaffee dagegen mögen unbedeutend erscheinen, bedeuten aber über 200 Kalorien. 

Bitte hole aber in einem Restaurant nicht deine Waage aus dem Rucksack. Es gibt einen schmalen Grat zwischen Genauigkeit und Besessenheit. Du solltest ihn nicht überschreiten. Mache lieber ein Foto von deinem Teller und trage dein Essen ein, wenn du nach Hause kommst. Schätze die verzehrten Mengen einfach so gut es geht. Nach ein paar Wochen werden deine Schätzungen bereits sehr zuverlässig sein.

Muss ich jetzt für immer Kalorien zählen?

Nein. Mit der Zeit wirst du ein gutes Gespür für Kalorien entwickeln, und zusammen mit einer guten Hormonregulierung wird es dir leicht fallen, deine Ernährung an deine tatsächlichen Bedürfnisse anzupassen. Eine lebenslange Abhängigkeit von einer App ist weder nachhaltig noch psychisch gesund.

Zusammenfassung

Das mathematische Modell der Energiebilanz ist eine grobe Vereinfachung. Unsere Physiologie dagegen ist komplex. Die Lösung sollte immer an der Wurzel des Problems ansetzen, nicht an seiner äußeren Erscheinung.

Golfer benutzen ihre Hölzer und Eisen für lange Distanzen, um möglichst schnell in die Nähe des Grüns zu kommen. Auf dem Grün verwenden sie dann ihren Putter, um den Ball ganz präzise treffen zu können.  Echte Lebensmittel sind deine Hölzer und Eisen, das Zählen von Kalorien und Makros ist in diesem Bild dein Putter. Beide sind nützlich, aber man sollte wissen, wofür man sie einsetzt.

Alles wird schöner, wenn man es teilt 🙂

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Titelfoto von Dan Gold auf Unsplash