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Unsichtbares Training: Strategien zur schnelleren Erholung

Heute konzentrieren wir uns auf die Erholung und lernen Strategien kennen, wie wir sie beschleunigen können. Was wohl die Erholungspyramide, das unsichtbare Training von Roger Federer und der sogenannte Kaffeeschlaf damit zu tun haben?

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Um sich zu verbessern, muss man trainieren. Das Training ist aber nur ein Teil der Gleichung. Der andere Teil ist die Erholung.

Viele Menschen konzentrieren sich auf das Training, den sichtbaren Teil. Genauso wichtig ist jedoch alles, was zwischen den Trainingseinheiten geschieht. Diese Zeit wird gemeinhin als unsichtbares Training bezeichnet.

Die Wirkung einer Stunde Training hängt also davon ab, was du in den restlichen 23 Stunden tust. 

Leistungsfähigkeit, Fitness und Ermüdung

Training bedeutet akuten Stress, der uns vorübergehend schwächt. Dieser Stress ist nichts Schlechtes, denn er ist genau das Signal, das den Körper dazu veranlasst, stärker zu werden.

Unmittelbar nach dem Training ist deine Leistungsfähigkeit schlechter als zu Beginn (unter anderem aufgrund der Anhäufung von Muskelschäden und der mentalen Erschöpfung). Nach einer Erholungsphase kommt dann aber die Superkompensation (Definition), welche deine Leistungsfähigkeit steigert.

Durch Wiederholung dieses Trainings- und Erholungszyklus verbessert sich deine Leistungsfähigkeit (die Muskelmasse nimmt zu) mit der Zeit.

Neben der Leistungsfähigkeit sollten wir zwei weitere Begriffe verstehen: Fitness und Ermüdung.

Fitness bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Anpassungen, die als Folge des Trainings auftreten und die sofort einsetzen. Zum Beispiel erhöht sich die Proteinsynthese und die Funktion der Mitochondrien verbessert sich. Diese Anpassungen schlagen sich jedoch durch die aufkommende Ermüdung nicht in einer verbesserten Leistungsfähigkeit nieder.

Erst wenn sich die Anpassungen (Fitness) verfestigen und die Ermüdung im Zeitverlauf immer mehr abnimmt, kommt es zur Leistungsverbesserung.

Die Ermüdung ist ein komplexer Prozess und ein Signal des Gehirns, das sowohl von physiologischen als auch von psychologischen Faktoren verstärkt wird.

Wir unterscheiden zwischen zwei Ermüdungsarten: der zentralen und der peripheren Ermüdung

  • Bei der zentralen Ermüdung funktioniert das Nervensystem nicht mehr richtig. Es gibt falsche Anweisungen an die Muskeln.
  • Die periphere Ermüdung wirkt sich direkt auf die Muskeln aus und erschwert ihnen die Reaktion, obwohl sie korrekte Anweisungen erhalten. Aufgrund dessen wird die periphere Ermüdung auch als Muskelermüdung bezeichnet.

Beide Arten treten bei jeder Form von körperlicher Aktivität auf, jedoch nicht in gleichem Maße. In der Regel führen Aktivitäten mit hoher Intensität zu einer stärkeren zentralen Ermüdung, während Aktivitäten mit niedriger Intensität (und langer Dauer) zu einer stärkeren Muskelermüdung führen.

Die ErholungsPyramide

Es gibt eine Vielzahl von Strategien zur Verbesserung der Regeneration, aber nicht alle sind gleich wichtig.

Leider hört man mehr über Behandlungen wie Kryotherapie, Vibrationsplattformen, myofasziale Entspannung, Elektrostimulation oder Kompressionsstrümpfe. Sie alle haben ihre Berechtigung (und sehen auch toll auf Instagram aus), aber sie sollten nicht im Fokus stehen. 

An der Basis der Erholungspyramide stehen Schlaf und Erholung. Genau darauf werden wir uns heute konzentrieren.

Schlaf und Leistungsfähigkeit

2013 schien sich die Karriere von Tennisstar Roger Federer dem Ende zuzuneigen. Er erreichte in diesem Jahr kein Grand Slam Finale und wurde von Verletzungen geplagt. Nach einigen weiteren Jahren ohne Grand Slam Sieg feierte er 2017 ein starkes Comeback und gewann Wimbledon und die Australian Open. Im Jahr 2018, im Alter von 36 Jahren, war er wieder die Nummer 1 der Weltrangliste. In einem Alter, in dem viele Spitzensportler bereits im Ruhestand sind, war Federer zurück an der Spitze.

By Tatiana from Moscow, Russia - Roger Federer, CC BY-SA 2.0, Wikimedia (Direkter Link: Klicke auf das Foto)

Was war (zumindest) ein Grund für dieses Wunder? Tiefe Erholung. Federer begann, mehr als 10 Stunden pro Nacht zu schlafen und gönnte sich zusätzlich noch ein tägliches Nickerchen (mehr Details).

Er ist nicht der einzige Hochleistungssportler, der dem Schlaf und der Regeneration so viel Bedeutung beimisst. Auch Usain Bolt (hat seine Karriere mittlerweile beendet), LeBron James oder Venus Williams schlafen 10 Stunden pro Nacht (mehr Details).

Wie wir bereits gelernt haben, beeinträchtigt Schlafmangel unsere kognitiven Funktionen und unsere Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen.

Bei Sportlern verbessert der Schlaf die Erholung und Leistungsfähigkeit mehr als jedes andere Mittel (mehr Details, Review I, Review II, Studie I, Studie II). Die Schlafqualität ist ein guter Prädiktor für die Leistung im Wettkampf (Studie).

Eine Studie mit Basketballspielern kam zu dem Schluss, dass eine Verlängerung der durchschnittlichen Schlafdauer von 6,6 auf 8,5 Stunden pro Nacht nach nur zwei Monaten die Geschwindigkeit um 5 % und die Genauigkeit beim Freiwurf um 9 % verbesserte.

Eine andere Studie zeigte das Gleiche bei Tennisspielern. Durch Verlängerung der durchschnittlichen Schlafdauer von 7,14 Stunden auf 8,85 Stunden, verbesserte sich die Aufschlaggenauigkeit der Teilnehmer in nur einer Woche um 14 %.

Strategien zur Verbesserung der Schlafqualität (wie du sie hier findest) verringern die Müdigkeit (Studie I, Studie II).

Unsichtbares Training

Unzureichende Regeneration erhöht das Verletzungsrisiko deutlich. Sportler, die weniger als 8 Stunden schlafen, haben 1,7 Mal häufiger Verletzungen als diejenigen, die länger schlafen (Studie I, Studie II, Studie III), sowie insgesamt kürzere Karrieren (mehr Details).

Angesichts der Bedeutung des Schlafs sollte man annehmen, dass Spitzensportler die Mindestanforderungen mehr als erfüllen. Das ist jedoch nicht der Fall. Fünfundsiebzig Prozent unterschreiten die Marke von 8 Stunden. Elf Prozent schlafen sogar weniger als 6 Stunden pro Nacht (Review, Studie I, Studie II, Studie III). Viele Topsportler schlafen sogar weniger als der Durchschnitt der Bevölkerung (Studie).

Hierfür gibt es mehrere Gründe:

  • Um Fortschritte zu erzielen, glauben wir, immer noch mehr machen zu müssen. Schlaf bedeutet, viele Stunden lang „nichts zu tun“. Wir können hier das Konzept der Via Negativa anwenden: Wir fügen unserem Leben etwas hinzu, indem wir etwas abziehen.
  • Zu viel Training beeinträchtigt die Schlafqualität (Studie). Daher ist es wichtig, auch die Trainingsplanung als dritte Säule der Pyramide entsprechend anzupassen.
  • Die Anspannung vor einem Wettkampf oder Turnier lässt die Sportler schlechter schlafen. Nervosität und Reisen sind eine schlechte Kombination für eine gute Nachtruhe. Um die Auswirkungen zu mildern, gibt es zwei Strategien, die miteinander kombiniert werden können: den Schlafspeicher füllen und Nickerchen einlegen. Schauen wir uns die beiden genauer an.

1) Schlafspeicher füllen / „Sleep Banking“

Das sogenannte „Sleep Banking“ besteht im Wesentlichen aus 1–2 Stunden zusätzlichem Schlaf in den Tagen vor Beginn eines Wettkampfs.

Es ist zwar nicht die perfekte Lösung, aber es hat sich gezeigt, dass ein gefüllter Schlafspeicher Leistungsverluste aufgrund von Schlafmangel etwas mildern kann (Studie I, Studie II).

2) Nickerchen einlegen

Der Mittagsschlaf erfüllt eine doppelte Funktion: Er dient sowohl der Leistungssteigerung in Vorbereitung auf einen Wettkampf als auch der schnelleren Erholung danach.

  1. Im ersten Fall sollten wir einige Stunden vor dem Moment, in dem wir Höchstleistungen anstreben, versuchen, ein Nickerchen zu machen (Studie I, Studie II).
  2. Priorisieren wir dagegen die Erholung, ist es sinnvoller, danach ein Nickerchen zu machen (Studie).

Natürlich gilt: Je besser man nachts schläft, desto geringer ist der Nutzen eines Nickerchens am Tag.

Die optimale Länge eines Nickerchens variiert je nach Situation, wobei die meisten Studien die Wirkung von Schläfchen zwischen 20 und 90 Minuten untersuchen (mehr Details). Wenn du ein akkumuliertes Schlafdefizit hast, solltest du versuchen auf eineinhalb Stunden zu kommen. Hast du in den vorangegangenen Nächten erholsam geschlafen, sind 20–30 Minuten ausreichend.

Der ideale Zeitpunkt für ein Nickerchen ist der frühe Nachmittag, wenn die Energie aufgrund der sogenannten ultradianen Rhythmik abnimmt. Du kannst aber auch zu jeder anderen Zeit das Beste daraus machen.

In dieser Studie war die Leistungsverbesserung bei einem 45-minütigen Nickerchen nach dem Mittagessen größer als bei kürzerer Schlafenszeit (25 oder 35 Minuten). Der Unterschied war jedoch gering.

Es gibt eine spezielle Art von Nickerchen, das Schlaf mit Koffein kombiniert. Es handelt sich dabei um das Paradoxon des sogenannten Kaffeeschlafes.

Kaffeeschlaf

Ein Nickerchen verbessert die Leistung mehr als Kaffee, aber mit einem sogenannten Kaffeeschlaf bekommst du das Beste aus beiden Welten. Die Handlungsanweisung ist einfach: Trinke einen Kaffee und mache anschließend sofort ein Schläfchen.

In mehreren Studien wurde die Leistung unseres Gehirns nach diesem Kaffeeschlaf untersucht (Studie I, Studie II, Studie III). Es kam heraus, dass ein Kaffee vor einem Nickerchen die kognitiven Leistungen stärker verbessert, als sich nur sich für eine Variante zu entscheiden.

Der Grund dafür ist, dass dein Verdauungssystem Zeit benötigt, um das Koffein zu verarbeiten. Die Wirkung setzt circa 20 bis 30 Minuten nach der Einnahme ein. Sprich, wenn du gerade von deinem Nickerchen aufgewacht bist. 

In dieser Zeit hat dein Gehirn einen Teil des Adenosins (das sich angesammelt hatte) abgebaut, sodass es nicht mit dem Koffein konkurrieren kann. Das Koffein kann sich nun an die freigesetzten Rezeptoren binden und seine stimulierende Wirkung entfalten. 

Hinweis: Denke daran, dass sowohl Koffein als auch Nickerchen gewisse Risiken bergen. Ein sehr langer Mittagsschlag führt zu einer übermäßigen Verringerung des Schlafdrucks (= Adenosinabbau). Zu viel Koffein kann die Adenosinfunktion in hohem Maße blockieren. In beiden Fällen könnte das Ergebnis ein schlechterer Nachtschlaf sein.

In einer Studie wurde untersucht, ob diese Kombination (also Kaffee + Mittagsschlaf) auch bei Sportlern Vorteile bringt. Dabei wurden die Leistungen bei verschiedenen Sprinttests in den folgenden Szenarien verglichen:

  • NSN: Normaler Schlaf (> 8 Stunden)
  • PLA: Schlafeinschränkung (< 5 Stunden) + Placebo
  • N20: Schlafeinschränkung (< 5 Stunden) + 20-minütiges Nickerchen + Placebo
  • CAF: Schlafrestriktion (< 5 Stunden) + Koffein
  • CAF+N: Schlafrestriktion (< 5 Stunden) + 20-minütiges Nickerchen + Koffein.

Das Ergebnis? Ein Nickerchen wirkte besser als Koffein, aber die Kombination aus Nickerchen und Koffein hatte eine ähnliche Wirkung wie normaler Schlaf.

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Titelfoto von Patrick Robert Doyle auf Unsplash 

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