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Über Fidgeting und die Vorteile, ein Zappelphilipp zu sein

Im heutigen Artikel geht es um das sogenannte Fidgeting, die Vorteile des Nicht-Stillsitzen-Könnens und über das (zu Unrecht) schlechte Image des Zappelphilipps. 

Heinrich Hoffmann, Public domain, via Wikimedia Commons (Direkter Link: Klick auf das Bild)

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Für das Wort Fidgeting gibt es keine perfekte Entsprechung oder Übersetzung in der deutschen Sprache. Es bezieht sich auf sich wiederholende und im Allgemeinen unbewusste Bewegungen, die wir aus Nervosität oder Langeweile machen: mit den Beinen wippen, mit einem Stift spielen, auf dem Stuhl hin und herrücken, die Körperhaltung verändern …

Bis in jüngster Vergangenheit waren diese Aktivitäten verpönt, galten sie doch als Zeichen von Unkonzentriertheit oder Nervosität. Kinder und Jugendliche mit entsprechenden Verhalten wurden (und werden es immer noch) als Zappelphilipp bezeichnet. Neuere Studien zeigen nun, dass die kleinen Bewegungen und Aktivitäten wichtiger sind, als bisher angenommen und uns sogar guttun.

In diesem Artikel werden wir uns ansehen, warum wir diese Bewegungen ausführen und wie wir das Fidgeting nutzen können, um mehr Fett zu verlieren und unsere Gesundheit zu verbessern.

Warum wir nicht still sitzen?

Unsere unwillkürlichen Bewegungen scheinen eine doppelte Funktion zu haben: eine psychologische und eine physiologische.

Auf der psychologischen Seite können sie uns helfen, unsere Aufmerksamkeit zu regulieren. Wir neigen dazu, uns mehr zu bewegen, wenn wir uns langweilen oder unkonzentriert sind. Das Fidgeting scheint eine unbewusste Strategie zu sein, die uns hilft, unsere Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten (mehr Details).

Foto von Kelly Sikkema auf Unsplash

Diese ständigen, kleinen Bewegungen scheinen unser ängstliches Gehirn zu beruhigen und ermöglichen einen höheren Grad der Aufmerksamkeit und Konzentration. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum das Fidgeting mit einer verbesserten Abspeicherung von neuen Informationen in Verbindung gebracht wird (Studie, mehr Details). Das gilt insbesondere bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefiziten (Studie).

Eine Studie hat gezeigt, dass wir uns in einem Gespräch mehr Informationen merken können, wenn wir nebenbei etwas auf ein Blatt Papier kritzeln.

Fidgeting und Gewichtsverlust

Was die physiologischen Erklärungen betrifft, so könnte Fidgeting eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem berühmten Adipostat spielen, dessen Aufgabe es ist, unser Gewicht auf einem angemessenen Niveau zu halten.
 
Wenn wir unsere Kalorienzufuhr reduzieren, veranlasst uns dieser Adipostat, auch unseren Energieverbrauch zu senken.
 
War dies in früheren Zeiten – als die Nahrung knapp war – eine perfekte Überlebensstrategie, ist es in der modernen Welt ein großes Hindernis für die Gewichtsabnahme. In diesem Artikel erklären wir, wie man dieses Problem minimieren kann.
Glücklicherweise wirkt der Adipostat auch in die entgegengesetzte Richtung (wenn auch weniger stark). Wenn wir mehr essen, versucht unser Körper, anschließend mehr Energie zu verbrauchen, um eine übermäßige Fettansammlung zu vermeiden.
 
Und eine der Strategien, die er zur Steigerung des Energieverbrauchs einsetzt, ist die körperliche Unruhe oder das Fidgeting.
 
In dieser Studie wurde eine Gruppe von nicht fettleibigen Menschen 8 Wochen lang mit 1.000 Kalorien über ihrem täglichen Kalorienbedarf versorgt. Zwar erhöhte sich dadurch natürlich ihr Körperfett, aber eben deutlich weniger als erwartet. 
 
Ursächlich dafür war der Versuch des Körpers, sich durch stärkeres (unbewusstes) Fidgeting gegen das Übergewicht zu wehren. 

Fidgeting und Energieverbrauch

Vielleicht überrascht es dich, dass Bewegungen mit so geringer Intensität eine echte Wirkung haben können, aber die Beweise sind eindeutig.

Die Erklärung dafür ist, dass das Fidgeting einen bedeutenden Beitrag zum NEAT (Non-Excercise Activity Thermogenesis) leisten kann, also zu jenem täglichen Grundumsatz, der einen höheren Kalorienverbrauch verursacht als das Training selbst.

Es ist daher sinnvoll, durch verschiedene Maßnahmen deinen NEAT zu steigern.

Fidgeting im Sitzen oder Stehen erhöht den Energieverbrauch um 29 % bzw. 38 % (Studie). Multipliziert man diesen Effekt mit mehreren Stunden am Tag, ist das Ergebnis alles andere als unerheblich.

In dieser Studie verbrauchten einige Personen durch diese spontanen Bewegungen bis zu 800 Kalorien pro Tag, weit mehr, als die meisten Menschen bei ihren intensivsten Trainingseinheiten verbrauchen.

Fidgeting und Gesundheit

Eine Vielzahl von Studien bringt längeres Sitzen mit einem erhöhten Risiko für bis zu 34 Erkrankungen in Verbindung (mehr Details), darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Studie), Stoffwechselprobleme (Review I, Review II), Thrombose (Studie) oder neurodegenerative Erkrankungen (mehr Details).

Stundenlanges Sitzen führt beispielsweise zu endothelialer Dysfunktion (Studie) und verstärkten Entzündungen im Körper (Studie). Es ist daher nicht überraschend, dass längeres Sitzen mit einer höheren Gesamtsterblichkeit verbunden ist (Meta-Analyse, Studie I, Studie II).

Es kommt jedoch nicht nur auf die Zeit an, die wir im Sitzen verbringen, sondern auch darauf, was wir währenddessen tun. Das Wippen oder Wackeln mit den Beinen im Sitzen schwächt etwa die endotheliale Dysfunktion ab (Studie) und erhöht die Fettoxidation (Studie).

Das Bewegen der Beine im Sitzen verbessert die kardiovaskuläre Gesundheit (Quelle: Pubmed; Klick auf das Schaubild für einen direkten Link)

In einer Studie mit mehr als 12.000 Menschen hatten diejenigen, die mehr „zappelten“, eine niedrigere Sterblichkeitsrate, obwohl sie gleich viel Zeit im Sitzen verbrachten (Studie).

Wie kannst du das Fidgeting erhöhen?

Zunächst die schlechte Nachricht. Die Neigung zum Fidgeting hängt weitgehend von den Genen ab (Studie I, Studie II). Das erscheint logisch, wenn wir uns vor Augen führen, dass es sich um einen weitgehend unbewussten Prozess handelt.

Glücklicherweise können wir aber einen Teil dieser Bewegung bewusst machen, indem wir sie gezielt in unser tägliches Leben einbauen. Sehen wir uns hierzu einige Ideen an.

Bewege deine Beine

Bewege während der Arbeit möglichst häufig die Beine. In dieser Studie reichte es aus, die Beine alle vier Minuten etwas zu bewegen, um eine deutliche Verbesserung der Endothelfunktion zu erzielen.

Es gibt spezielle Tools, die diese Bewegung fördern und die nachweislich den Energieverbrauch erhöhen (Studie).

Spann die Muskeln an

Spanne gelegentlich deine Bauch- oder Gesäßmuskeln an. Dadurch werden nicht nur diese Muskeln gestärkt, sondern du verbrennst auch zusätzliche Kalorien. Diese Taktik kannst du sowohl bei der Arbeit als auch beim Autofahren anwenden.

Auch die Verwendung eines ergonomischen Sitzhockers erhöht den Energieverbrauch und zwingt dich dazu, deine Haltung häufiger zu ändern.

Arbeite (auch) im Stehen

Wenn man einige Stunden auf den Beinen ist, erhöht sich der Kalorienverbrauch, und auch das Fidgeting wird erleichtert. Außerdem verändern wir unbewusst unsere Haltung mehr, wenn wir stehen.

Verwende Anti-Stressbälle

Anti-Stress-Bälle könnten die Aufmerksamkeit verbessern (mehr Details I, mehr Details II) und trainieren „nebenbei“ die Muskeln der Hände und Unterarme.

Viele Studien zeigen zudem, dass die Griffstärke ein guter Prädiktor für die Langlebigkeit ist (mehr Details). Die Anti-Stressbälle werden dir helfen, sie zu verbessern.

Zusammenfassung und Fazit

Von klein auf wird uns eingebläut, stillzusitzen und nicht zu zappeln.

Unser Körper benötigt jedoch die Bewegung. Mehr Unruhe oder Fidgeting in unser Leben zu bringen, kann uns helfen, unser Gewicht zu halten und unsere Gesundheit zu verbessern.

Trage also den „Titel“ des Zappelphilipps ab sofort mit Stolz 🙂 

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