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Midlife-Crisis: Mythos oder Realität?

Heute geht es um ein Thema, das viele Menschen ab einem gewissen Alter betrifft, welches aber nicht so leicht zu greifen ist: die Midlife-Crisis. Wir befassen uns mit dem Ursprung des Begriffs, stellen die Glückskurve vor und lernen, welche gesellschaftlichen und biologischen Faktoren zur Midlife-Crisis beitragen. Wie es sich für eine überstandene Krise gehört, gibt es ein Happy End.

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Was auch immer wir (dagegen) tun, die Auswirkungen des Alterns werden eines Tages spürbar sein.

Wenn wir 40 Jahre oder älter sind, hat unser Körper schon bessere Tage gesehen. Wir fühlen uns nicht mehr so unbeschwert, bereuen einige Entscheidungen und vergangene Krisen stecken uns buchstäblich in den Knochen. Wenn wir nicht aufpassen, verdrängen die Erinnerungen unsere Träume immer mehr. 

Wir sind uns bewusst, dass wir uns in der Mitte unseres Lebens befinden. Bei einer aktuellen Lebenserwartung in Deutschland (Statistisches Bundesamt) von 78,3 Jahren (Männer) und 83,2 Jahren (Frauen) sind wir mit über 40 entweder kurz vor oder schon mitten in der zweiten Halbzeit. Das beschäftigt uns und führt – ob bewusst oder unbewusst – nicht selten zu einem mentalen Kummer, den der kanadische Psychoanalytiker Elliot Jaques 1965 als „Midlife-Crisis“ bezeichnet hat. 

Nachdem er das Leben von mehr als 300 Künstlern untersucht hatte, kam er zu dem Schluss, dass Depressionen und Selbstmordraten in diesem Alter häufig vorkommen. Er nahm zwar an, dass dies auch für die übrige Bevölkerung gelte, verfügte aber nicht über genügend Datenmaterial, um seine These zu verifizieren.

Die Glückskurve

Jahrzehnte später analysierten die Wirtschaftswissenschaftler David Blanchflower und Andrew Oswald die Ergebnisse mehrerer Erhebungen zum Wohlbefinden von mehr als 1 Million Menschen in 70 verschiedenen Ländern (mehr Details).

Sie erwarteten eine absteigende Linie, bei der das Glück mit zunehmendem Alter abnimmt, aber das war nicht der Fall. Die Kurve war vielmehr u-förmig, und der Tiefpunkt der Lebenszufriedenheit lag zwischen 45 und 55 Jahren.

Es gab zwar leichte Unterschiede zwischen den Ländern, aber in fast allen Fällen war etwas Ähnliches zu beobachten: ein allmählicher Rückgang des Glücks bis zum Tiefpunkt im Alter von 45 Jahren und ein anschließender Anstieg der Glückskurve bis ins hohe Alter. Am Ende des Lebens geht es mit der Lebensfreude dann wieder etwas nach unten, was wahrscheinlich mit dem Verlust der motorischen und / oder geistigen Handlungsfähigkeit zu tun hat. 

Der Verlauf der Depressionsraten in Bezug auf das Lebensalter ist dagegen fast umgekehrt: Ein deutlicher Höchststand um das Alter 45 und anschließend ein allmählicher Rückgang.

Wahrscheinlichkeit von Depressionen

Es scheint also, dass Elliot Jaques recht hatte: Die Midlife-Crisis ist real.

Gesellschaftliche Faktoren

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Krise in der Lebensmitte auch eine gesellschaftliche Komponente hat.

Ist ein bestimmtes Alter erreicht, erwartet die Gesellschaft, dass man beruflich gefestigt ist, eine Familie gegründet und die persönlichen Finanzen im Griff hat. Wird eine dieser Erwartungen nicht erfüllt, steigt das Risiko für eine persönliche Krise. 

Aber selbst wenn man die drei Bereiche im Griff hat, kann es einen erwischen. 

Viele Menschen haben Erfolg und fühlen sich dennoch innerlich leer. In diesem Fall kann die Depression sogar noch gravierender ausfallen, weil es scheinbar keine Erklärung für die Bedrückung gibt.

Ab einem Alter von 40 Jahren ist es auch üblich, dass mehrere Stressquellen zusammenkommen. Die Adoleszenz der Kinder geht einher mit Krankheiten/Gebrechen der eigenen Eltern und zunehmenden beruflichen Verpflichtungen. In dieser Lebensphase kommt es außerdem zu den meisten Scheidungen und Trennungen.

Jeder dieser Faktoren hat das Potenzial, unsere Stimmung nachhaltig zu drücken. Kommen mehrere Umstände zusammen, können die psychischen Auswirkungen verheerend sein.

Biologische Faktoren

Neben den gesellschaftlichen oder kulturellen gibt es auch rein biologische Faktoren. Ab einem Alter von 40 Jahren gibt es große hormonelle Veränderungen – in erster Linie bei Frauen – die sich auf das Befinden auswirken.

Die Auswirkungen des Alterns werden deutlicher sichtbar. Wir haben mehr Falten und unser Haar wird grauer oder weißer.

Wir leiden häufiger unter Schmerzen. Aktivitäten, die früher problemlos möglich waren, sind deutlich schwieriger. All dies kann zu einer geringeren Lebenszufriedenheit beitragen, zumindest so lange, bis wir uns an die neue Realität anpassen.

Foto von Bob Brewer

Biologische Veränderungen treten auch bei anderen Primaten auf. So ergab eine Studie mit mehr als 500 Orang-Utans, dass die jüngsten und ältesten Orang-Utans am glücklichsten waren, während Affen im Alter zwischen 25 und 30 Jahren (was dem durchschnittlichen Alter von Menschen in der Lebensmitte entspricht) am wenigsten glücklich waren. 

Sie bestellen sich zwar keinen Sportwagen oder kündigen kurz entschlossen ihren Job, aber die Affen sind in dieser Lebensphase mitunter ähnlich niedergeschlagen wie wir Menschen. Der Verlauf der Glückskurve scheint also universell zu sein.

Here comes 40. I'm feeling my age and I've ordered the Ferrari. I'm going to get the whole mid-life crisis package.

Mit der Zeit wird es besser

Glücklicherweise verbessert sich mit zunehmenden Jahren auch unser Wohlbefinden. Wenn wir das mittlere Alter hinter uns lassen, gibt es Veränderungen in der Persönlichkeit, die uns wieder zufriedener und glücklicher werden lassen. 

So gibt uns der natürliche Lauf der Zeit eine Perspektive und Zuversicht, verringert Ängste und erhöht die Sicherheit. Wir …

Interessanterweise treten auch viele psychische Probleme mit fortschreitendem Alter seltener auf (mehr Details I, mehr Details II). Unsere Psyche scheint sich zu stabilisieren. Das Risiko einer bipolaren Störung, einer Schizophrenie, von Panikattacken und Zwangsstörungen sinkt.

Und im Allgemeinen sind ruhigere Gemüter glücklichere Menschen.

Jeder Mensch ist einzigartig

Natürlich ist kein Leben wie das andere. In diesem Artikel ging es lediglich über allgemeine Muster.

Manche Menschen erleben nie eine Midlife-Crisis, andere haben sie erst deutlich später und wieder andere (wie ich) sind laut ihres Umfelds schon immer in der Midlife-Crisis 🙂 

Ob Krise oder nicht, wichtig ist, das Alter nicht als Entschuldigung zu nehmen und die Dinge selbst anzupacken. 

Elliot Jaques prägte den Begriff der Midlife-Crisis im Alter von 48 Jahren. In den folgenden vier Jahrzehnten bis zu seinem Tod im Alter von 86 Jahren schrieb er zwölf Bücher, heiratete und gründete ein Beratungsunternehmen. Tatsächlich entwickelte er einige seiner einflussreichsten Ideen erst spät in seinem Leben.

Vielleicht war er deshalb am Ende seines Lebens glücklicher als in der Lebensmitte.

Titelfoto von Sepp Rutz 

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