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Über die Magie, zu Fuß unterwegs zu sein (plus Ideen, um mehr Schritte zu machen)

In diesem Artikel erfährst du, warum Gehen die wichtigste körperliche Aktivität ist und welche vielfältigen Vorteile sich dadurch für deine Gesundheit und Fitness ergeben.

Lass dir den Artikel von einem echten Menschen vorlesen 🙂

Bewegungsformen mit geringer Intensität bilden die Basis der Bewegungspyramide, aber nur wenige Menschen schenken Aktivitäten wie dem Gehen besondere Aufmerksamkeit. Zu langweilig und unsexy scheint es im Vergleich zu vielen anderen Möglichkeiten zu sein, den Körper einzusetzen. Aber langsam zu Fuß unterwegs zu sein, ist nicht grundlos das Fundament menschlicher Vitalität. 

Ohne Zweifel ist das Training mit Gewichten, dem eigenen Körpergewicht oder mit maximaler Intensität wichtig, aber wenn du für den Rest der Zeit nur eine einzige Aktivität ausüben dürftest, wäre das Gehen sicher die beste Wahl. 

Das Gehen war immer schon unsere wichtigste Bewegungsform. Disziplin war nicht nötig, es gab einfach keine andere Möglichkeit, das Überleben sicherzustellen.

Mit der Erfindung von Autos, Schreibtischjobs, Aufzügen und Rolltreppen hat sich die Situation grundlegend verändert. 

Zu Fuß unterwegs zu sein ist zu einer Art Bewegungsergänzung geworden, die uns von einem automatischen Fortbewegungssystem zum nächsten bringt. Von der Haustür gehen wir zum Auto (oder Fahrrad), vom Auto gehen wir zum Aufzug, vom Aufzug gehen wir zu unserem Schreibtisch….

Heutzutage ist es eine bewusste und freiwillige Entscheidung, körperlich aktiv zu sein. Eine Notwendigkeit, sich zu bewegen, besteht (zumindest für die meisten Menschen) nicht mehr.

Früher waren wir einen Großteil unseres Tages in Bewegung. Auch wenn wir nicht gingen, liefen oder sprinteten, beschäftigten wir uns mit manuellen Tätigkeiten, die intensiver waren als das Bedienen einer Computertastatur. Heute befinden sich viele von uns (tagsüber) in zwei vollkommen unterschiedlichen Aggregatzuständen:

  • Sitzen → im Schnitt verbringen wir über 9 Stunden am Tag sitzend
  • Training → für eine kurze Zeitspanne bewegen wir uns (mehr oder weniger intensiv) im Fitnessstudio, im Sportverein, auf der Laufrunde u.s.w.

Grafisch könnte der Unterschied in etwa wie folgt aussehen: 

Früher
Heute

Aus vielen Studien wissen wir, dass das stundenlange Sitzen schädliche Folgen für die Gesundheit hat, die nicht einfach durch eine gelegentliche Trainingseinheit verschwinden –  so intensiv diese auch sein mag.

Die Details der Kurve mögen bei jedem Menschen etwas anders aussehen und sind nicht ganz so relevant wie die dahinter stehende grundsätzliche Beobachtung.  Es geht darum, das „Loch“, welches wir in der Tagesmitte geschaffen haben, mit mehr Bewegung niedriger Intensität zu füllen.

Du kannst auch ohne „Training“ gesund sein, aber nicht ohne Bewegung. Das Gehen ist für die meisten Menschen die beste Möglichkeit, „in Form“ zu bleiben. 

Die Vorteile des Gehens

Gehen hat einen gesundheitlichen Nutzen, der weit über die verbrannten Kalorien hinausgeht:

  • Gut für das Herz: Spaziergänge senken die Triglyceride und den Blutdruck (Studie). Es scheint sogar so zu sein, dass Gehen besser für die kardiovaskuläre Gesundheit ist als Laufen. In dieser Studie verbesserten Walker ihr Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stärker als Läufer.
  • Gut für die Gewichtsabnahme: Du verbrennst sicherlich weniger Kalorien als bei anderen, intensiveren Aktivitäten, aber das ist nicht der einzige Parameter. Bei niedriger Intensität verbraucht dein Körper einen höheren Anteil an Fett. Eines der Probleme von reinem Ausdauertraining ist, dass es in vielen Fällen den Hunger verstärkt (Studie IStudie II). Beim Gehen ist dies dagegen nicht der Fall (Studie IStudie II) sodass es sich positiv auf die Gesamtkalorienbilanz auswirkt.
  • Gut für den Nachwuchs: Kinder, die zu Fuß zur Schule gehen, sind weniger übergewichtig (Studie).
  • Gut für ältere Menschen: Bei älteren Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen verbessert das Gehen das Gedächtnis stärker als Nahrungsergänzungsmittel (Studie), verringert das Risiko für Grauen Star (Studie) und senkt die Sterblichkeit (Studie).
  • Mehr als 8000 Schritte pro Tag zu gehen, verbessert die Trainingsergebnisse (Studie).
  • Unter Berücksichtigung einer Risiko-Nutzen-Analyse ist Gehen die beste und sicherste Bewegungsform für untrainierte oder ältere Menschen.

Geboren zum Gehen

Anthropologen stellen mehrere grundlegende Übergänge auf unserem Weg vom Affen zum Homo sapiens fest. Der Erste war zweifellos die Entwicklung zu einem effizienten Zweibeiner. Dadurch konnten wir unsere Hände für die Benutzung von Werkzeuge einsetzen und gehaltvollere Nahrung jagen und sammeln, was wiederum unserem Gehirn zugutekam. Mit anderen Worten: Das Gehen war der erste Schritt in unserer Evolution.

Ein kleiner Schritt für unsere Vorfahren. Ein großer Sprung für die Menschheit.

Das Ziel vieler Menschen ist es heutzutage, so viele Kalorien wie möglich zu verbrennen, aber 99,9 % unserer Geschichte ging es um das Gegenteil, nämlich darum, Energie zu sparen. Wenn man mit der gleichen Menge „Treibstoff“ eine größere Strecke zurücklegen konnte, hatte man eine bessere Chance zu überleben und sich fortzupflanzen.

Das Gehen ist unser ökonomischstes Fortbewegungsmittel. Dank unserer evolutionären Anpassungen (längere Beine, stärkere Füße, schmale Hüften, hervorstehende Nase) benötigen wir viermal weniger Sauerstoff als Primaten, um die gleiche Strecke zurückzulegen (Studie). 

Eine Studie über die menschliche Bewegung kommt zu dem folgenden Schluss.

We are very efficient at walking, but we are not efficient runners. In fact, we consume more energy to run than the typical mammal our size.

Das deckt sich auch mit den Ergebnissen einer anderen Studie.

Wir sind eindeutig besser an das Laufen angepasst als frühere Hominiden (wir haben kräftigere Gesäßmuskeln, eine längere Achillessehne und ein ausgeprägteres Fußgewölbe). Aber es ist in Wahrheit unsere Effizienz beim Gehen (selbst bei hohen Temperaturen), die uns wirklich von anderen Tieren unterscheidet.

Sogar die berühmten Hetzjagden, die von vielen Experten als Beweis für unsere hervorragenden Laufqualitäten angeführt werden, wurden mit moderaten Geschwindigkeiten zwischen 4,5 und 6,5 km/h durchgeführt (Studie). Mehrere Analysen bestätigen, dass Jagden eher im flotten Schritttempo stattfanden (Studie). Der Energieaufwand wäre zu hoch gewesen, wenn wir nur im Laufen gejagt hätten. 

Auf wie viele Schritte pro Tag kamen unsere Vorfahren?

Eine genaue Antwort auf diese Frage zu geben, ist unmöglich. Wir können aber die heutigen Jäger- und Sammlergesellschaften analysieren, um einen Richtwert zu bekommen. So kommen bei den Hadza Männer im Schnitt auf 15 km pro Tag und Frauen auf 9 km (mehr Details).

Quelle: Nature.com

In vielen ländlichen Gebieten Afrikas legen Frauen täglich etwa 10–15 km zurück (Artikel), wobei sie die meiste Zeit Lebensmittel, Wasser, ein Kind oder alles auf einmal tragen.

Foto von Bailey Torres auf Unsplash

Jüngste Studien über Gesellschaften in modernen Ländern, die sich ihren uralten Lebensstil erhalten haben, kommen auf ähnliche Zahlen. Die Amish, die dafür bekannt sind, ihre vorindustrielle Lebensweise beizubehalten, gehen einer Studie zufolge täglich 18.500 Schritte oder ca. 14 Kilometer (Männer) und etwa 14.000 Schritte oder ca. 11 km (Frauen). Diese langen Spaziergänge tragen wahrscheinlich auch dazu bei, dass sie die niedrigsten Raten für Fettleibigkeit aller Bevölkerungsgruppen in den Vereinigten Staaten haben.

In den modernen westlichen Gesellschaften sind die Bewohner Australiens und der Schweiz die Einzigen, die auf mehr als 9.000 Schritte pro Tag kommen. An dritter Stelle steht Japan mit etwas über 7000 Schritten pro Tag (Artikel). Japan und die Schweiz gehören auch zu den Ländern mit der geringsten Fettleibigkeit. Nun bedeutet Korrelation nicht gleich Kausalität, aber Gehen hilft auf jeden Fall.

Dein Ziel

Aus der Quantenphysik kennt man den Beobachtereffekt, nach dem Quantensysteme durch reine Beobachtung oder Messung verändert werden

So ist es auch beim Menschen. Wir verhalten uns anders, wenn wir wissen, dass wir beobachtet werden. Das verfälscht die Ergebnisse vieler Studien, aber du kannst diesen Effekt auch zu deinem Vorteil nutzen. Allein das Aufzeichnen deiner Schritte bringt dich dazu, mehr zu gehen (Studie, Artikel).

Heute ist es möglich, deine tägliche Bewegung mithilfe von Technologie zu überwachen und zu steigern, zum Beispiel durch:

  • Wearables wie Fitbit, Smartwatches wie die Apple Watch oder Ringe wie den Oura. Diese Tools erfassen neben den Schritten auch noch eine Vielzahl anderer Daten, ermöglichen es dir, dich mit deinen Freunden zu messen oder warnen dich bei zu langer Inaktivität. 
  • Traditionelle Schrittzähler. Du kannst einen guten Schrittzähler, wie diesen hier, bereits für weniger als 10 € kaufen.
  • Smartphone-Apps. Du kannst auch dein Smartphone nutzen, um dir Informationen über deine Schritte anzeigen zu lassen, zum Beispiel mit Apps wie Step Counter für Android oder Pedometer ++ für iOS
Foto von Solen Feyissa auf Unsplash

Gut geplante Ziele helfen uns. Wenn wir unsere Fortschritte messen können, ist die Motivation doppelt so groß.

Nimm dir am besten vor, ab jetzt jeden Tag 10.000 Schritte (7–8 km) zu gehen.

Diese Zahl hat nichts Magisches an sich und ist im Vergleich zu den Standards unserer Vorfahren eher bescheiden, aber sie ist ein guter Anfang. Viele Experten halten sie für das Minimum, um als „aktiver Mensch“ zu gelten.

Die Vorteile, am Tag auf 10.000 Schritten zu kommen, gehen zwar weit über die Kalorienverbrennung hinaus, aber es ist ein guter Bonus. Je nach Gewicht und Gehtempo kannst du zwischen 250 und 500 Kalorien pro Tag verbrennen, was nicht unerheblich ist.

Ideen für mehr Schritte und Bewegung

Wenn du dich gerade fragst, woher die Zeit kommen soll, um diese zusätzlichen Schritte und Kilometer zurückzulegen, solltest du dir keinen Stress machen. 

Es gibt viele Möglichkeiten, mehr zu Fuß zu gehen, ohne dass dein Zeitplan darunter leidet. Nachfolgend einige Ideen:

  • Bevor du das Auto benutzt, frage dich, ob du auch zu Fuß gehen könntest.
  • Wenn du dein Auto benutzen musst, parke immer ein wenig weiter weg.
  • Wenn du die öffentlichen Verkehrsmittel nimmst, kannst du in der Wartezeit auf und ab gehen und eine Station früher aussteigen, um das letzte Stück zu Fuß gehen.
  • Benutze die Treppe statt des Aufzugs. 
  • Vermeide alle Rolltreppen.
  • Führe geschäftliche Telefonate – wenn möglich – im Gehen
  • Du stehst vor einem Problem in der Arbeit und kommst gerade nicht weiter? Verlasse deinen Arbeitsplatz und gehe spazieren. Nietzsche sagte, dass alle wahrhaft großen Gedanken beim Gehen entstehen. Die Wissenschaft gibt ihm recht (Artikel).
  • Du musst etwas mit einem Kollegen besprechen? Anstatt gemeinsam einen Kaffee zu trinken, kannst du sie oder ihn auf einen Spaziergang einladen.

Viele derjenigen Menschen, die sich darüber beklagen, dass sie keine Zeit haben, mehr Bewegung in ihr Leben einzubauen, sind dieselben, die bei jeder Gelegenheit Rolltreppen benutzen, auch wenn sie ins Fitnessstudio gehen.

Erinnere dich daran, dass unsere Vorfahren barfuß (oder zumindest mit flachen Sohlen) gelaufen sind. Mit jedem Spaziergang stärkst du deine Füße.

Kurz gesagt, bewege dich mehr und gehe mehr zu Fuß. Denke daran, dass auch die längste Reise mit einem ersten Schritt beginnt.

Titelfoto von Dmitry Schemelev auf Unsplash

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