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Verbessere dein Gleichgewicht

Im heutigen Artikel geht es um das Gleichgewicht. Wir sehen uns die negativen Auswirkungen eines Gleichgewichtsdefizits an, erklären, warum sich unsere moderne Welt negativ auf das Gleichgewicht auswirkt und geben dir ein Mini-Trainingsprogramm an die Hand, um dir die Möglichkeit zu geben, dich in diesem Bereich zu verbessern.

Lass dir den Artikel von einem echten Menschen vorlesen 🙂

Jede Bewegung erfordert Gleichgewicht. Du benötigst Stabilität, um zu stehen, zu gehen, zu laufen oder zu springen. Für viele ist das Gleichgewicht unser sechster Sinn (mehr Details).

Unser modernes Umfeld, einschließlich der Art und Weise, wie wir trainieren und welche Schuhe wir tragen, wirkt sich negativ auf unser Gleichgewichtssystem aus. Die heutige Welt ist streng geometrisch, mit flachen Oberflächen und einheitlichen Abständen und Abmessungen. Die Natur dagegen ist fraktal, mit unebenem Terrain und variablen Hindernissen.

Ohne regelmäßige Herausforderungen verschlechtert sich unser Gleichgewichtssystem. Das führt zu einem erhöhten Risiko von Verletzungen und Stürzen und beeinträchtigt unsere Leistungsfähigkeit in fast jeder sportlichen Disziplin.

Drei Gründe, warum es sich lohnt, dein Gleichgewicht zu verbessern

Grund Nr. 1) Weniger Stürze

Stürze gehören zu den häufigsten nichtnatürlichen Todesursachen in Deutschland (mehr Details). Bei älteren Menschen kann ein Sturz das Ende ihrer Autonomie bedeuten. Mehr als 20 % der Menschen über 60, die sich eine Hüfte brechen, leben nach dem Sturz weniger als ein Jahr (Studie IStudie II).

Nicht alle Stürze sind direkt auf ein schlechtes Gleichgewicht zurückzuführen, aber es spielt fast immer eine Rolle. Durch Gleichgewichtstraining können Stürze um mehr als 30 % reduziert werden (Studie IStudie IIStudie III). Und wenn ein Sturz unvermeidlich ist, verringert ein gutes Gleichgewicht die Aufprallgeschwindigkeit und damit den gesundheitlichen Schaden.

Grund Nr. 2) Weniger Verletzungen

Stürze und Verletzungen betreffen nicht nur Erwachsene. In fast allen untersuchten Sportarten, von Fußball über Basketball bis hin zu Volleyball, besteht eine umgekehrte Korrelation zwischen Gleichgewicht und Knie- und Knöchelverletzungen (Studie IStudie II, Studie IIIStudie IV). Je schlechter dein Gleichgewicht, desto größer ist dein Verletzungsrisiko.

Grund Nr. 3) Bessere Leistungen

Die Verbesserung des Gleichgewichts beugt nicht nur Verletzungen vor, sondern hilft dir auch, bessere (sportliche) Leistungen zu erbringen. Mangelnde Stabilität wirkt sich negativ auf alle anderen Fähigkeiten aus:

  • Koordination und Genauigkeit. Stell dir zwei Bogenschützen vor. Der eine schießt seinen Pfeil aus einem ruhigen und stabilen Stand, der andere von einem sich bewegenden Pferd. Wer wird wohl eher das Ziel treffen? Mangelnde Stabilität ist gleichbedeutend mit dem Versuch, einen Pfeil zu schießen, während man auf einem Pferd sitzt. Treffsicherheit setzt Gleichgewicht voraus.
Gleichgewicht in jeder Lebenslage // Foto von Guille Alvarez
  • Stärke. Als Schutzmaßnahme setzt dein Körper nur so viel Kraft ein, wie er stabilisieren kann. Krafteinsatz ist letztlich eine Frage der Kontrolle.
  • Leistung. Mangelnde Stabilität führt zu Energieverlusten. Das Abfeuern einer Kanone von einem schwankenden Schiff ist viel weniger effizient als wenn diese an Land verankert ist. Wenn du keine solide Basis hast, verlierst du bei deinen Bewegungen an Kraft.
  • Ausdauer. Je schlechter dein Gleichgewicht ist, desto mehr Energie musst du aufwenden, um es zu halten. Selbst unmerkliche Gleichgewichtsverluste beim Laufen müssen durch zusätzlichen Energieaufwand ausgeglichen werden. Multipliziert man diesen Mehraufwand mit den Zehntausenden von Schritten bei einem längeren Lauf, erkennt man das negative Ausmaß schlechter Stabilität.   
  • Beweglichkeit. Der Körper lässt keine Bewegungsbereiche zu, die er nicht kontrollieren kann. Ein typisches Beispiel ist einer der grundlegenden Beweglichkeitstests: Die tiefe Hocke mit erhobenen Armen. Die meisten Menschen sind nicht in der Lage, diese Bewegung auszuführen, und nehmen an, dass dies an mangelnder Beweglichkeit liegt. Wenn sie es jedoch aus liegender oder (auf dem Boden) sitzender Position versuchen, sind einige in der Lage, die Endposition einzunehmen. Was also auf den ersten Blick wie ein Mobilitätsproblem aussieht, ist in Wirklichkeit ein Stabilitätsproblem. Dein Ziel sollte also nicht nur die Verbesserung deiner Beweglichkeit, sondern auch die Verbesserung deines Gleichgewichts sein.
Foto von Harry Quan

Kurz gesagt: Das Gleichgewicht ist der Schlüssel zur vollen Entfaltung unseres sportlichen Potenzials. Die Verbesserung des Gleichgewichts hat einen Multiplikatoreffekt und ermöglicht es uns, unsere Fähigkeiten voll auszuschöpfen.

Funktionsweise und Grenzen des Gleichgewichts

Das Gleichgewicht ist ein komplexes Geflecht, an dem drei große Systeme beteiligt sind:

  • Das vestibuläre System. Dieses befindet sich im Innenohr und dient ausschließlich dem Gleichgewicht und der räumlichen Kontrolle. Von der Idee funktioniert es wie eine Wasserwaage, ist aber deutlich ausgefeilter. Es enthält Flüssigkeit, die sich bewegt, wenn sich der Kopf bewegt, und die das Gehirn über seine Position und Beschleunigung informiert.
  • Das Sehvermögen. Visuelle Informationen sind auch für das Gleichgewicht wichtig. Das Balancieren auf einem Bein ist mit geschlossenen Augen viel schwieriger.
  • Das propriozeptive System. Es besteht aus einer Vielzahl von Spannungs- und Dehnungsrezeptoren im gesamten Körper (Muskeln, Sehnen, Faszien und Haut), die Informationen über die Position der einzelnen Körpersegmente sammeln. Von besonderer Bedeutung sind die Sensoren in der Fußsohle, welche die Grundlage für das Gleichgewicht bilden.

Aus all diesen Informationen erstellt das Gehirn eine Art dreidimensionale Karte der Körperhaltung und der Position im Raum sowie der auszuführenden Bewegungen (zu aktivierende Muskeln), um das Gleichgewicht zu halten.

Es handelt sich um einen komplexen kognitiven Prozess, der Energie benötigt und anfällig für Verschleiß ist. Mit zunehmenden Alter des Gehirns leidet daher auch das Gleichgewicht. 

So ist etwa die langsamere Gehgeschwindigkeit im Alter teilweise auch auf ein schlechteres Gleichgewicht zurückzuführen und zudem ein Indikator für das Alzheimer-Risiko (Studie). Wenn du dein Gleichgewichtssystem aber „pflegst“, kannst du bis zum Ende in einem guten Tempo unterwegs sein.

Verlust des Gleichgewichts in einer ebenen Welt

Unsere geradlinige Welt wirkt sich auch auf unsere Sehkraft aus. Die Kurzsichtigkeit ist in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter angestiegen. Dies ist das Ergebnis einer Kombination aus zu vielen Stunden Starren auf Bildschirme, mangelndem Sonnenlicht und schlechter Ernährung (mehr Details). Die Sehschwäche beeinträchtigt auch das Gleichgewicht (Studie IStudie IIStudie III).

Unsere Schuhe

Die Füße sind unser Fundament, unsere Erdung, und sie spielen eine entscheidende Rolle für das Gleichgewicht. Wenn das Fundament schwach ist, wackelt das ganze Gebäude.

In den Fußsohlen gibt es eine Vielzahl propriozeptiver Rezeptoren, damit wir uns schnell an den Boden anpassen und kleinste Druckschwankungen wahrnehmen, die auf Positionsveränderungen hinweisen. Die Zehen krallen sich in den Boden, um den Halt zu stärken.

Leider gehen wir mit diesem sensorischen Reichtum sehr sorglos um. Wir zwängen unsere Füße in enge Schuhe, die unseren grundlegenden Instinkten zuwiderlaufen (mehr Details). Eine dicke, weiche Sohle isoliert uns zu sehr vom Boden und erlaubt es uns nicht, den Boden zu spüren.

Wenn du die natürlichen Reize, die deine Füße erwarten, ausschaltest, verkümmern die Rezeptoren und können ihre Funktion nicht mehr erfüllen. Probleme in den Nervenendigungen der Füße, die bei Diabetikern häufig auftreten, beeinträchtigen das Gleichgewicht (Studie).

Bei fast allen Sportschuhen sind auch die Zehenspitzen hochgezogen, was die Gleichgewichtsfunktion der Zehen beeinträchtigt. Das Endergebnis ist, dass unsere Füße verzerrte Informationen an das Gehirn senden und weniger in der Lage sind, auf die Anweisungen zu reagieren, die das Gehirn zurücksendet. Wenn du deine Füße befreist, wird sich auch dein Gleichgewicht verbessern.

Basistrainingsprogramm für dein Gleichgewicht

Nur selten sieht man jemanden, der im Fitnessstudio Stabilität trainiert. Die Geräte sind genau so konzipiert, dass unser Gleichgewicht nicht aktiviert werden muss. Sie ermöglichen es uns, die Rumpfmuskulatur zu trainieren, ohne dabei die Stabilisierungsmuskeln einzubeziehen. Wenn du deine Muskeln isoliert trainierst, verlernen sie Stück für Stück zusammenzuarbeiten. Gleichgewicht ist eine Teamleistung.

Um die Stabilität zu verbessern, solltest du deinen Körper als das betrachten, was er ist: ein integriertes Ganzes, das aus einer Vielzahl von (Teil-)Systemen besteht.

Einer der Vorteile des Trainings mit dem eigenen Körper und mit freien Gewichten ist, dass du stabilisierende Muskeln einsetzen musst. Dein Gehirn lernt, auf alle Informationen zu reagieren, die es vom vestibulären, visuellen und propriozeptiven System erhält. Wenn du barfuß oder mit minimalistischem Schuhwerk unterwegs bist, verstärkt sich die positive Wirkung.

Wir können jedoch nicht nur die Stabilität in unsere Aktivitäten integrieren, sondern auch ein kleines, schrittweises Trainingsprogramm aufstellen, das unser Gleichgewicht verbessert.  

Dabei gehen wir von einbeinigen Positionen aus, da dies die normalen Bewegungsmuster bei sportlichen Aktivitäten sind, nicht nur beim Laufen oder Gehen, sondern auch beim Schießen eines Balls oder beim Springen über ein Hindernis. Auch im Stehen neigen wir dazu, das Gewicht ständig von einem Fuß auf den anderen zu verlagern.

Stufe 1: Ebener Untergrund

  • Level 1: Die Grundübung besteht darin, auf einem Fuß zu balancieren, wobei das Standbein gestreckt und das andere Bein in einem 90°-Winkel angehoben wird. Versuche, mit jedem Bein 30 Sekunden zu schaffen.
  • Level 2: Bei den meisten Sportarten ist es sinnvoll, das Gleichgewicht in einer Viertelhocke zu halten, wobei das Knie des Standbeins einen Winkel von 30-45° bildet und das andere Bein nach hinten gebeugt ist, ohne den Boden zu berühren. Wenn du in dieser Position jedes Bein 30 Sekunden lang halten kannst, gehst du zu Level 3 über.
  • Level 3: Zunächst erfordert die Gleichgewichtsarbeit deine volle Aufmerksamkeit. Das endgültige Ziel ist es aber, das Gleichgewicht vollständig an dein Unterbewusstsein zu delegieren. Füge zu diesem Zweck zu der vorherigen Position nun eine funktionelle Ablenkungsaktivität hinzu, indem du etwa einen Tennisball gegen die Wand wirfst und ihn wieder fängst, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Wenn ihr zu zweit seid, könnt ihr einander den Ball zuwerfen und alle zehn Würfe die Beine wechseln. Wenn das zu einfach wird, könnt ihr es mit einem Medizinball oder mit einem Stein probieren.
  • Level 4: Wiederhole die Übungen aus Level 1 und 2 jetzt mit geschlossenen Augen. Fällt dir das leicht? Bewege dann zusätzlich auch deinen Kopf (vor und zurück oder zur Seite), um die Anpassung deines vestibulären Systems zu verbessern.
  • Level 5: Einbeinige Kniebeuge. Fordere dein Gleichgewicht heraus, indem du es mit neuen Anforderungen an Kraft und Beweglichkeit konfrontierst. Zu Beginn kannst du dich hinsetzen und von einer Couch oder einer erhöhten Fläche aufstehen.

Stufe 2: Instabile Oberfläche

Wenn du in allen oben genannten Übungen mehr als 30 Sekunden auf einem Bein schaffst, wiederhole die gleiche Abfolge (1 bis 5), aber dieses Mal auf einer instabilen Unterlage, wie einem Bosu-Ball oder einem Balancebrett.

Training des Gleichgewichts auf instabilen Untergrund // Foto: Gustavo Torres

Stufe 3: Kräftigungsübungen

Wenn du das statische Gleichgewicht sowohl am Boden als auch auf einer instabilen Unterlage beherrschst, kannst du Dynamik hinzufügen. Dabei sind Sprünge aller Art (Absprung und Landung) eine gute Herausforderung für deine Balance.

Springe aus der Viertelhocke (Level 2) seitlich ab und lande in der gleichen Position auf der gegenüberliegenden Seite. Versuche, fünf Sprünge pro Seite zu machen, ohne jemals auf beiden Füßen gleichzeitig zu landen. Allmählich wirst du feststellen, dass deine Landung immer stabiler wird und mit weniger Ausgleichsbewegungen auskommt. Wenn du dein Gleichgewicht gefunden hast, kannst du es mit größeren Sprüngen probieren.

Übe auch den Vorwärtssprung, indem du mit einem Fuß aus der halben Hocke springst und mit dem anderen Fuß in der gleichen Position landest. Halte einige Sekunden lang das Gleichgewicht und springe dann erneut. Dein Ziel sollte sein, fünf Sprünge auf jeder Seite zu schaffen.

Weitere Ideen zur Verbesserung deines Gleichgewichts

Obwohl es zu Beginn ratsam ist, ein strukturiertes Trainingsprogramm für dein Gleichgewicht durchzuführen, das beispielsweise auf dem oben genannten Progressionsschema basiert, ist es wichtig, das Gleichgewicht in dein tägliches Leben zu integrieren. Hierzu einige Beispiele.

Wandern in der Natur

Wenn eine flache, geradlinige Welt das Problem ist, ist die fraktale und unregelmäßige Natur Teil der Lösung. Sie bezieht alle Elemente deiner Stabilität viel stärker mit ein, einschließlich der peripheren Sicht. Je unregelmäßiger und variabler ein Weg ist, desto besser.

Ein Spaziergang im Wald verbessert nicht nur dein Gleichgewicht, sondern senkt auch den Cortisolspiegel und den Blutdruck (Studie).

Arbeit an der Core-Stabilität

Der Hauptzweck von Crunches besteht nicht darin, Bewegung zu erzeugen, sondern deinen Core zu stabilisieren. Die Entwicklung der Funktionalität der gesamten Bauchmuskulatur verbessert die Leistung von Läufern (Studie) und Fußballern (Studie).

Yoga

Yoga ist nicht ohne Grund eine uralte Praxis. Neben dem spirituellen Aspekt oder der Verbindung von Körper und Geist stellen viele Yogapositionen eine ernsthafte Herausforderung für das Gleichgewicht dar. Die verschiedenen Anpassungsmöglichkeiten des Schwierigkeitsgrads machen Yoga für jeden zugänglich.

Yoga trainiert dein Gleichgewicht // Foto von Ginny Rose Steward

Slackline

Wenn du glaubst, dass du ein gutes Gleichgewicht hast, probiere eine Slackline aus. Das Endergebnis ist (normalerweise) eine ordentliche Dosis Demut :-).

Dein Gehirn gerät in Panik und beginnt, die Muskeln unkontrolliert zu aktivieren. Deine Beine zittern und du bist anfangs nicht in der Lage, mehr als zwei Schritte hintereinander zu machen. Das ist vollkommen normal.

Mit der Zeit passt sich dann dein Körper an und verbessert das Gleichgewichtssystem sowie die räumliche Orientierung (Studie). Und wer weiß, vielleicht schaffst du ja eines Tages … 

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Fazit

Das Gleichgewicht hat eine enorme Bedeutung. Es reduziert Verletzungen, verbessert die Leistung und verlängert unsere Lebensdauer. Unser modernes Umfeld ist auf Komfort, Sicherheit und Standardisierung ausgelegt, aber dadurch verkümmern unsere Stabilitätsmechanismen.

Es ist wichtig, dass wir uns bestimmte Reize aus der natürlichen Welt zurückholen. Um das Gleichgewicht – im Sport und im Leben – zu finden, sollten wir uns daher gelegentlich aus dem Gleichgewicht bringen.

Titelfoto: Michael Henry 

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