Die Kraft der Natur

Das Essen zu genießen war in etwa die Belohnung für die Mühe, die es gekostet hat. Die moderne Welt hat diesen alten Zusammenhang zerstört. Heute können wir uns jederzeit etwas gönnen, ohne uns vorher anzustrengen oder Entbehrungen auf uns zu nehmen. Das Ergebnis ist ein tiefes Ungleichgewicht.

Die Technologien, die wir entwickeln, um unseren Komfort zu erhöhen, machen uns gleichzeitig schwächer. Dieselben Werkzeuge, die uns mehr Kontrolle über die Natur geben, führen dazu, dass wir die Kontrolle über unseren eigenen Körper verlieren. Wir fühlen uns nur noch in einem ganz bestimmten Temperaturbereich wohl, und für viele Menschen bedeutet schon das Treppensteigen eine große Anstrengung.

Das ständige Streben nach Komfort und Vergnügen wirkt sich direkt auf die Hauptursachen der Sterblichkeit aus. Zum ersten Mal in der Geschichte sterben weltweit mehr Menschen an zu viel als an zu wenig Nahrung. Weitaus mehr Todesfälle sind auf Bewegungsmangel zurückzuführen als auf körperliche Erschöpfung. Industriell hergestellte Lebensmittel sind heute zerstörerischer als militärische Waffen und unsere Trägheit tödlicher als die schlimmsten Verbrecher.

Der Körper ist nicht dafür geschaffen, in ständigem Komfort und Überfluss zu leben. Er braucht Herausforderungen, um sich zu entfalten.

Es geht nicht darum, sich ständig unwohl zu fühlen, sondern darum, unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber den Schwierigkeiten des Lebens zu erhöhen. Wir müssen verhindern, dass die Technik unsere Anatomie verkümmern lässt. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet das Konzept der sogenannten Hormesis (griechisch für Anregung oder Anstoß).

Es bezieht sich auf die Tatsache, dass eine kleine Dosis eines scheinbar negativen Stresses unsere Toleranz erhöhen und uns stärker machen kann.